Dienstag, 14. Juni 2022

Annegare nella melma

 

Unterdrücktes Bedauern beim kalten Zerstören jugendlicher Schönheit. Schmerzerfüllte Rage in zerrissenem Antlitz. Vom vermeintlich jähen und abermaligen Verlust eines neuen Freundes von Trauer halb gelähmt. Und in so kurzer Zeit nun schon zum dritten, vierten gar fünften mal in existenzieller Panik um Luft und Hilfe keuchend, ringen Syfried, Vino, Oberon und Konrad erneut mit ihren überwältigenden Emotionen und stemmen sich gegen den Strudel der Gewalt, der sie in den Wahnsinn zu ziehen droht. So versuchen sie auch die letzten beiden der fünf Runenrätsel zu lösen.



Nur ein Narr würde ernsthaft behaupten sich an seine Geburt oder gar die Zeit im Mutterleib erinnern zu können, aber für einen Moment war es so, als befände er sich wieder genau in diesem. Eine Wärme umhüllte ihn, und ein flüssiges heterogenes Etwas umschloss seinen geschundenen Körper vollends, von der Sohle bis zum Scheitel. Doch was war überhaupt passiert? Gerade noch war der Söldner aus Tilea neben seinen Mitstreitern gewesen, als ihn sein Gleichgewichtssinn verließ und er kopfüber hinab stürzte. Verzweifelt hatte er versucht sich irgendwo an den glatten Oberflächen zu halten. Er wollte schreien, doch seine Kehle war von der Angst wie zugeschnürt. Unklar wie tief er fallen würde, rezitierte er in Gedanken teilweise eine Art letztes Gebet, ein flehender Gesang, welches in jeder Provinz, wenn auch leicht abgewandelt bekannt ist:


Tileanisch


Dov’è la Myrmidia?

Le porga la chioma,

Che schiava di Pavona

Gli dei la crearono.


Stringiàmci a coòrte,

Siam pronti alla morte.

Siam pronti alla morte,

La Tilea chiamò.

Reiksspiel


Wo ist die Siegesgöttin Myrmidia?

Sie möge Tilea ihr Haupt zuneigen

Denn als eine Sklavin Pavonas

Haben die Götter Sie erschaffen


Lasst uns die Reihen schließen,

Wir sind bereit zum Tod,

Wir sind bereit zum Tod,

Tilea hat gerufen!



Es war als würde sein Leben an ihm vorbeiziehen, was sonst als der sichere Tod sollte auf ihn, Elvino de Fuero, hier warten. Hinabgestürzt in die Schwärze der Vault, würde er früher oder später aufschlagen und so die Götter ihm gnädig waren würde er ein schnelles Ende finden und in Morrs Reich hinüberwandern.

Mit einem satt schmatzenden Geräusch dass leiser als erwartet war schlug er auf. Ein feuchtes warmes Gefühl machte sich um ihn breit. War das sein Blut, oder seine Gedärme die aus ihm herausgeplatzt waren? Lebte er noch. Er fühlte erstaunlich wenig Schmerzen. War dies das Ende. Ein fauliger Geschmack, machte sich in seinem Mund breit. Dies war nicht die Schwelle zum Reich der Toten. Er war in irgendeine Flüssigkeit gefallen. Wärme umgab ihn, dampfend und in diesem Falle verwesend wie man es sonst von MIsthaufen auf Bauernhöfen kannte. Etwas umfasste sein Bein, zog ihn hinab. Der Tileaner versuchte Ruhe zu bewahren um nicht seinen Mund und seine Augen vor purer Angst schreiend aufzureißen. Fühlend tastete er nach halt, mit seinen Beinen und seinen Armen, nur um noch weiter hinab zu gleiten in die zähflüssige Umgebung. Je weiter er versank, desto fester wurde sein Untergrund scheinbar, aber abstoßen konnte der Jüngling aus dem Süden sich dennoch nicht. Er versuchte, panisch und ungeschickt, nach oben zu schwimmen. Sollte er tatsächlich diesen absolut tödlichen Sturz überstanden haben? Nur um jetzt hier in, was bei allen Göttern war dies überhaupt, zu ersaufen. Verzweifelt saugte er etwas verbliebene Luft aus der Zwergenleuchte die schon fast ausgegangen war, soviel konnte er selbst durch seine geschlossenen Augenlider erkennen. Er packte seinen Anhänger in Form eines Messingspeers und flehte Myrmidia an ihm zu helfen, und ihn nicht ehrlos und elendiglich ertrinken zu lassen. Wild und dabei wertvolle Atemluft verschwendend stach er mit dem Schmuckstück um sich.

All seine Bemühungen waren fruchtlos und er kämpfte bereits mit dem ureigenen Trieb jedes atmenden Lebewesens, nach Luft zu schnappen und sich endlich der Erlösung hinzugeben, wohlwissend, dass er seine Atemwege vollends mit dem modrigen, bröckeligen Schlacke, die erstaunlich warm war, verstopfen würde. Ohne Alternativen geblieben, griff er seinen Prügel und hieb nach unten, um der Umfassung durch das Wesen zu entkommen. Es war immer noch unklar ob Tier oder Pflanze war, dies war auch unerheblich, der Griff der Entität lockerte sich zwar und schließlich ließ die borstige Ranke ab vom Bein des Tileaners. Jene Hautpartien die gerade noch umklammert waren, hatten aber den Annäherungsversuch nicht unbeschadet überstanden. Die oberste Hautschicht war aufgerissen und Blut gesellte sich in den Brei der Verwesung in welchem der Jüngling um sein Leben kämpfte. Ein Schmerz welchen er zuletzt aus der Hand des Salesianers erfahren hatte nahm ihm die Sinne. Er schloss die Augen und flehte danach, dass es vorbei sein möge.

Seine Finger trafen auf einen Gegenstand hart und erstaunlich kalt im Vergleich mit der Umgebung. Der Söldner packte ihn und versuchte sich daran festzuhalten oder sich irgendwohin zu ziehen, jedoch war alles was geschah, dass er diesen Würfel, welcher ebenso von eine rauhen Schicht umschlossen war, näher an sich heran zog. Die Fingerknöchel wurden weiß vom Sauerstoffmangel und dem großen Druck den er ausübte. Plötzlich überkam ihn ein Licht, endlich war es soweit, endlich war es vorbei, er spürte es, es ging zu Ende. Was sonst sollte dieses kalte und beängstigende Licht sein. Für einen Moment versuchte er sich noch zu erwehren, doch dann ließ er sich fallen, in dieses kalte und doch bedeutungsschwangere Strahlen hinein.

Er fiel zu Boden. Träumte er? War er an Morrs Pforte angelangt? Irgendwie hatte er es sich anders vorgestellt. Ihm war als wäre er einfach hinab gefallen, auf den Boden. Er war immer noch voller Schleim, sollte er nicht unbefleckt sein im Reich des Totengottes? Es dauerte einen Moment ehe er realisierte. Das Licht, welches er gesehen hatte, war das einer zwergischen Rune gewesen, ähnlich und doch von gänzlich anderer Natur als jenes der Kampfesrune welche Oberon kurz zuvor gefunden hatte. Etwas war geschehen, irgendetwas oder jemand wollte nicht, dass es hier mit ihm zu Ende geht. Der Tileaner öffnete seine Augen und röchelte um Luft, verzweifelt wie ein Kind fiel er auf seinen Rücken und blickte nach oben. Ein Gewirr aus Ranken und Wurzeln bildete eine Art Pfropf für die verwesende Schlacke welche überall um ihn herum am Boden war und von der Decke tropfte. Nur eine kleine Öffnung zeugte davon, dass hier kurz zuvor der Junge ausgespuckt worden war. Es blieb gar keine Zeit um zu erwägen, was denn gerade vorgefallen war. Die Hand in welcher er zuvor den Licht emittierenden Würfel gehalten hatte, war leer. Er wischte sich den Schleim aus dem Gesicht, als er feststellte, dass die Handfläche vollkommen verbrannt war. Eine garstige Brandnarbe in Form einer Krone prangte dort als Zeugnis des soeben Geschehenen. Sein Blick fiel auf die Haut des aufgerissenen Beines, die Sehnen waren beinahe zu sehen. Der Blick sank zu Boden, ehe er, unwillkürlich nach oben glitt. Was war nun? Der Söldner klappte zusammen und fiel hintenüber auf den Boden. Die Augen fielen ihm zu und er wurde bewusstlos.

Noch immer hallten die Stimmen in seinem Kopf wieder, die ihn zum Licht riefen, die ihn als etwas besonderes auserkoren hatten, ihn Elvino de Fuero, sein Weg war hier nicht zu Ende, er war für Größeres bestimmt. Auch wenn er sich zuerst gegen das gleißende Hell gesträubt hatte, so hat es ihn in sich aufgenommen Oder trug er diesen Schein nun in sich? Plötzlich mischten sich andere Stimmen in das Gewirr, ein komischer Traum, warum war plötzlich Ingenieur Schmalfuß quietschendes Vokabular zu hören, und der Elf. Bestimmt würde er gleich aufwachen und sich fragen was, bei Morr, er da gerade geträumt hatte.

Jemand berührte ihn sanft am Bein, und der Schmerz durchschlug ihn wie ein Hammer einen Amboss zum Klingen brachte. Sein ganzer Körper war ein Resonanzraum für die erlittene Tortur, sein Bein war fast auf ganzer Länge aufgerissen und nicht minder schmerzhaft, zierte seine rechte Handfläche eine verbrannte Narbe. All dies war tatsächlich geschehen. Noch immer die Rune in Form einer Krone in seiner Hand, verzerrt und gezeichnet von Brandblasen. Oberon kümmerte sich um seine Wunden, während Vino wie am Spieß schrie. Bis ihm das Maul gestopft wurde mit einem erstaunlich fruchtig schmeckendem Gebräu. Offenbar ein Heiltrank, wie ihm später erklärt wurde. Nach einer Erstversorgung und dem Einsetzen der Heilwirkung wurde die Pein etwas erträglicher, doch es würde wohl Wochen dauern bis er sich vollständig von diesem Unterfangen erholt hatte. Andererseits musste er wohl froh sein, überhaupt noch unter den Lebenden zu weilen. Vielleicht aus einem tieferen ihm noch verborgenen Sinn. Es war wohl an der Zeit einen Priester Myrmidias zu konsultieren, so bald als möglich würde er dies in Altdorf nachholen.

Nach einem viel zu kurzem kontemplieren der gegenwärtigen Situation, schrie auf einmal Konrad der Langfinger auf. Eine Ranke, oder was es auch immer war, der schleimigen Masse über Ihnen hatte ihn gepackt und vollends verschluckt. Vino und der Elf hatten noch halbherzig versucht ihn zu greifen, allerdings ohne Erfolg. Ein erstickter Schrei war noch zu hören.Ihm drohte ein ähnliches Schicksal wie Vino zuvor. Aufgeschreckt durch die volatile Situation versuchten die beiden Feuer zu entfachen unter den Ranken welche das sumpfartige Gebilde über Ihnen stützten doch die Substanz wirkte ganz und gar nicht brennbar. Ein Geruch von Heu welches nass geworden war und zu lange gemäht auf einem Feld liegt, süßlich und verwesend machte sich überall breit. Während der Zwerg seine Muskete zog und eine Kugel gefährlich Nahe an den Langfinger schoss. Diese wurde immer langsamer, fast so als hätte Ulric selbst an Weltstill die Zeit langsamer laufen lassen. Für einen Moment kam alles zur Ruhe, ehe ein gewaltiger Hieb von Bürokrates auf die Ranken einen großen Pfropf der verdorbenen Masse herabplatschen ließ. Fast war es so gewesen, als hätte der Dolch des Händlers ein eigenes Leben, einen Zorn in sich getragen. Er leuchtete rötlich auf, Funken spritzen auf, und die schleimige Substanz geriet in Wallung und zischte auf wenn es mit der Klinge in Berührung kam. Offenbar hatte Bürokratie die zuvor gefundene rot schimmernde Kampfesrune eingesetzt. Eine andere Erklärung konnte es nicht geben für ein derartiges Szenario.

Erinnerungsfetzen: Die Flammenrune wird aktiviert

Panisch fuchtelte Konrad nach seinem Dolch, stach um sich und wurde immer enger umschlungen. Vino konnte sein Leid nur zu gut nachempfinden, und hackte nun ebenfalls auf das Wurzelwerk über ihnen ein. Wenngleich auch sichtlich geschwächt und fast wirkungslos. Der Zwerg packte einen Wurfgegenstand und warf ihn gegen den  schleimigen Plafond, wo dieser sogleich mit einem Schmatzgeräusch aufgesaugt wurde. Wütend ob seines letzten unwirksamen Schusses lud er seine Muskete nach. Die Rettungsaktion war in vollem Gange, als Oberon versuchte eine Art verdorbene Frucht zu entflammen. Offenbar musste er in der Zwischenzeit einen Schlag gegen den Kopf erhalten haben, dachte der Tileaner wenngleich er selbst ebenso erfolglos mit dem Feuer geblieben war. Ein Knall zerschlug die Luft um Sie und traf das Wurfgeschoss, offenbar war dies explosiver Natur gewesen, nicht. Der Zwerg hatte verfehlt und murrte immer grantiger auf. Mit einer Bewegung hatte sich der Langfinger etwas aus seiner Umklammerung lösen können, und der nach unten entweichende organische Schlamm zog ihn etwas mit sich. Durch den Griff der Ranke war Konrad Fuß voran nach oben gerissen worden, und für einen kurzen Moment tauchte seine nach Luft japsende und schmerzverzerrte Fratze aus dem Glibber hervor. Ohne groß zu Zögern packte der Tileaner ihn im schleimigen Maul und räumte dieses mit seinen schnellen Fingern frei. Ehe er sich mit seinem gesamten Gewicht und seiner gesamten Kraft der Sogwirkung entgegenhängte. Er konnte den panischen Atem spüren, den der Todeskampf in Konrad auslöste. Glücklicherweise kam ihm der Elf ebenso zur Hilfe während die anderen weiter das Wurzelwerk zerstörten.

Konrad platschte nach unten, die Finger des Tileaners hielten seinen Kiefer immer noch fest umklammert und verhinderten,  dass er kopfüber aufschlug. Der elfische Feldscher wollte gerade den Zustand des Geretteten genauer beurteilen, als ein bedrohliches Knirschen von oben alle in Alarmbereitschaft versetzte. Es war offenkundig, dass der Mucus über ihnen allen kurz davor war herab zu brechen, die Rankenstruktur war nachhaltig beschädigt worden und so schleppten und rannten sie gegenseitig aus dem Raum hinaus. Glücklicherweise entkamen alle dem Verderben hinter ihnen.


Der Tileaner und auch der Rest der Truppe mussten sich neu orientieren. Die Gruppe war glücklicherweise wieder vereint, wenn auch angeschlagen und vollzählig. Der Elf Oberon, der Zwerg Harrad, Ingenieur Schmalfuß, Dieb Konrad, Handelsmann Bürokrates und der Söldner Vino. Sie alle befanden sich in einem achteckigen Raum, der gefüllt war mit einer Art von Hochbeeten, wie man diese für die Tomatenzucht manchmal verwendet wenn die Böden zu karg oder steil sind. Diese waren auf das Zentrum des Achtecks ausgerichtet, allerdings reichten Sie nicht direkt in die Mitte des Raumes. 

Dort fand sich nämlich eine blattlose Pflanze, die sich in der gigantischen Kuppel welche das Achteck nach oben hin abschloss nach oben rankte. Die genauen Ausmaße blieben in der Dunkelheit unklar aber es war jedenfalls das größte Gewächs welches der Tileaner je erblickt hatte. Kurz beratschlagten sich die Anwesenden über die weitere Vorgehensweise und sowohl die Karte wurde konsultiert, als auch die rätselhaften Verse, welche Sie zuvor gefunden hatten. Einer passte für die derzeitige Situation:

Den fruchtendsten Keim beseitige noch, dass er den Himmel nicht durchbricht. Dieses Land soll Waldland bleiben.

Dies war, offensichtlich, der fruchtendste Keim. Wenn dieser den Himmel bzw. die Decke durchbrach könnte die Vault einstürzen oder etwas anderes Schlimmes passieren. Oder die Untiere welche hier hausten würden freigesetzt werden und Verwüstung über das Land bringen. So oder so ähnlich waren die Gedankengänge der Gruppe und man kam zum Schluss, dass die Pflanze nieder gehackt werden musste. Gerade als der geschundene Konrad zum ersten Hieb mit seinem zwergischen Spaltbeil ausholen wollte, klang eine Stimme durch den Raum. Unklar woher diese kam, doch sprach sie vertraute und unheilbringende Worte:

Constant in chao

Ebendies war auch in Altdorf vom Cursus honorum rezitiert worden. Laut den Kundigen in der Runde Schmalfuß und Oberon, handelte es sich um klassisch, eine alte Sprache die dem Tileanischen gar nicht so unähnlich war, aber doch unverständlich für Vino. Die berobten Gestalten hatten Sie also entdeckt und konnten jederzeit los schlagen. Vermutlich wollten sie ihr Tun stören und machten sich zum Angriff bereit. Die Gruppe stellte sich kreisrund um den gigantischen Stamm in Verteidigungsposition auf und Konrad begann nichtsdestotrotz auf die Pflanze einzuschlagen um diese plangemäß zu Fall zu bringen.

Sein Beil war noch nicht wieder zur Ruhe gekommen als plötzlich Insekten neben der Runde aufschlugen. Offenbar waren Sie aus großer Höhe herabgestürzt durch die Erschütterung. Erst nach einem Moment war klar, dass dieses Getier nicht unwillkürlich gefallen war, sondern eine Sprungkraft in sich trug und schlichtweg zum Angriff heran gesprungen war. Der Ursprungsort blieb verborgen, doch derartig agile Kreaturen waren jedenfalls gefährlich, konnten Sie doch jederzeit nach eigenem Gutdünken den Kampf verlassen oder betreten. Darüber hinaus glänzten ihre gepanzerten Körper im Schein der wenigen Lichtquellen bedrohlich auf, ebenso wie ihre stachelbewehrten Gliedmaßen, welche Vino nicht näher kennenlernen wollte.

Ein verwirrendes Scharmützel entbrach in der Finsternis. Immer wieder tauchten die insektoiden Angreifer in größerer Zahl auf oder entfernten sich aus dem Kampfe. Die gute Panzerung der Untiere schützte vor leichteren Angriffen offenbar ganz gut, doch wenn man einen Volltreffer landete, oder wie Bürokrates es praktizierte mit zwei kunstvoll gearbeiteten Dolchen den Panzer durchstieß konnte man Wirkungstreffer landen. So dauerte es einige schweißtreibende Momente bis die unzähligen Riesenflöhe in die Flucht geschlagen waren, manche von ihnen waren nicht so glücklich und die zerquetschten oder aufgeschlitzten Kadaver fanden sich in der Umgebung auf dem dunklen Boden liegend. Manch andere waren mithilfe der gewaltigen Sprungkraft schlichtweg verschwunden. Doch erst als der “Fladerant”, wie der zwergische Anführer den Dieb nannte, die Pflanze, sofern es denn eine war, zum Einsturz brachte, verebbten die Angriffe. Um dieses Vorhaben zu unterstützen hatte der Söldner versucht den Stamm, mit einem Seil zu einer Seite zu ziehen, wie man Weinreben am Stock fest bindet um diese in eine bestimmte Richtung zu zwingen. Leider fand das Seil keinen Halt an der glatten Oberfläche und es war auch keine Verschnaufpause während der konstanten Attacken des springenden Ungeziefers geblieben. Ingenieur Schmalfuß nutzte seinen Kopf und auch den Rest seines Körpers indem er sich mit vollem Körpergewicht an die Außenhülle hing und das ganze System durch sein Gewicht etwas in eine Richtung neigte, sodass die Hiebe von Konrad mehr Wirkung zeigen konnten. Bis die Pflanze schlussendlich nachgab und einstürzte trugen mehrere der Kämpfer leichtere Blessuren davon, glücklicherweise waren diese Wesen jedoch ungefährlicher als zum Beispiel der Höhlenwurm oder gar die Schergen des Cursus.

Mit einem gewaltigen Knacks barst die Pflanze und gab unter Ihrem eigenen Gewicht und der Hebelwirkung nach. Alle Anwesenden konnten den Göttern sei Dank den herabstürzenden Teilen ausweichen, nur der Ingenieur der noch im Begriff war herab zu rutschen, konnte sich nicht rechtzeitig aus der Falllinie bringen. Nachdem die Staubwolke sich aufgelöst hatte, vernahm man ein Wimmern in der bekannten krächzenden Klangfarbe des Beamten. “So helft mir doch”, erklang es, während er den unverletzten Teil seines Körpers seinen Kameraden entgegen streckte. Ein gewaltiger Teil der Pflanze hatte Ihn verschüttet und seinen Torso halb unter sich erschlagen, wäre sein Schädel darunter gelandet gewesen, dann hätte sich die Frage nach dem Überleben nicht gestellt. Der Mann war zuvor in Recht guter, wenn auch dürrer, schreiberlinghafter, Konstitution gewesen. Seine rechte Seite war beinahe zermalmt worden, unklar ob und welche Knochen heil geblieben waren. Der Handelsmann Bürokrates reichte seinen letzten verbliebenen Heiltrank zu ihm, der so lecker prickelnd nach Beerenfrüchten geschmeckt hatte.

Mit einer gemeinsamen Gewaltantstrengung hievte die Truppe das gewaltige Pflanzenstück von Schmalfuß herab, und er wurde aus dem Raum herausgeschliffen. Darüber hinaus taten die langgliedrigen Elfenfinger Oberon ihr Möglichstes um den Ingenieur am Leben zu erhalten. Mit Bandagen wurde der Brustkorb so gut es ging stabilisiert, und der Arm in eine Schlinge gelegt. Zumindest für den Moment sah es so aus, als hätte Schmalfuß noch einmal vor Morrs Reich kehrt gemacht.

Der Tileaner musste sich immer noch benommen von seinem Sturz und Todeskampf, und dem soeben gefochtenen Kampf erholen und orientierte sich. Offenbar war er eine ganze Etage, die so hoch war, wie man es nur in den höchsten Tempeln Tileas kannte, hinabgestürzt. Die Decke blieb in der Finsternis verborgen, aber es waren zumindest 10 Schritt, wenn nicht mehr. Laut den Erzählungen seiner ihm zur Hilfe geeilten Kumpanen waren diese über eine Wendeltreppe welche den größten Raum umschloss herab gefolgt, und zuerst in eben diesen Raum gelangt, wo das Gewächs in der Mitte den Raum dominierte. Flankiert wurde das ganze von Hochbeeten aus Stein, die allerdings viel größer waren als jene der Tileaner welche sich Verduri in ihren Hausgärten manchmal anpflanzten. Linkerhand war der Raum gewesen, aus welchem Vino und in weiterer Folge auch Konrad gerettet werden mussten, dort hätte sie alle beinahe ein garstiges Schicksal ereilt, bedingt durch den zähflüssigen Tod der von oben auf die Truppe hinab stürzte, nachdem das nicht minder gefährliche Rankenwerk seine stützende Wirkung verloren hatte.

Ein weiterer Ausgang war noch unerkundet geblieben, und aus dieser Richtung hatte die Gruppe vermeintlich auch die auf klassisch gezischten Worte vernommen. War dies nun eine Falle? Hatten die Schergen überhaupt eine Ahnung, dass ihnen jemand auf den Fersen war? Oder war das einfach nur ein in die Dunkelheit gesprochener Ausspruch, die Finsternis sollte auch den Cursus behindern, aber wer weiß schon welche Fähigkeiten diesen Gestalten innewohnten. Nach einer kurzen Debatte wurden die beiden besten Schleicher auserkoren, oder anders gesagt, jene zwei Gruppenmitglieder welche wohl dem unehrlichsten Tagwerk nachgingen. Namentlich der Dieb und der Kaufmann, beide zogen einem das Geld aus der Tasche. Bürokrates hatte zuvor schon etwas näher zu dem verbliebenen Durchgang hingelugt und konnte bestätigen, dass der Cursus dort lauerte.

Nach einer kurzen taktischen Besprechung im Flüsterton war klar geworden, dass sich zuerst die beiden schleichenden Gefährten vorwagen sollten. Wenn möglich einen Überraschungsangriff auf einen ahnungslosen Feind durchführend. Der Tileaner würde dicht dahinter folgen, und nach dem ersten Kreuzen der Klingen so schnell als möglich aufschließen. Der Zwerg, der Elf und der verwundete Schmalfuß würden so gut als möglich mit Fernkampfwaffen versuchen andere Widersacher zu Fall zu bringen. Außerdem würden sie, ebenso essentiell, den Fluchtweg freihalten. Das war bei einem derartigen Kommando unabdingbar, bei einem Scheitern würde sonst die komplette Vernichtung drohen.

Der Tileanerjüngling verspürte diese Aufregung vor dem unausweichlichem Kampfe, welche er nun schon so oft erlebt hatte. Seine Gedanken rasten, er erinnerte sich vergangener Gefechte, und blickt an sich und seinen Kameraden herab. Eigentlich waren sie allesamt ein Fall für das Lazarett und nicht für einen entscheidenden Waffengang, aber es war zu spät um Umzukehren. Als der Blick auf Bürokrates fiel, hielt Vino kurz ein. Warum trug der Kerl denn einen viel zu großen Hut, in einem geschlossenen Raum? Jeder Uniformträger wusste, dass man Kopfbedeckungen nur draußen trug, aber gut die Mode des Imperiums war offenbar nicht nur triste und farblos, sondern es fehlte den Leuten auch an grundlegenden Standards der Kleiderordnung. Der Kerl stapfte einfach drauf los, auch nicht besonders leise oder versteckt. Das konnte die gesamte Unternehmung in Gefahr bringen. 

Der einzige positive Aspekt des unbekümmerten Trottes von Bürokrates war, dass er wenn er entdeckt wurde sicherlich eine Ablenkung für den dicht hinter ihm schleichenden Konrad war. Doch Vino war immer schon ein Mann der Tat gewesen, und ihm behagte nicht, dass der erste Angreifer wie ein Pferd in eine Rosticceria hinein stampfte. Er war zwar eigentlich weniger für seine lautlosen Schritte bekannt, aber in der fluiden Situation konnte man sich kein Zögern und Zaudern leisten. Er konnte, erstaunlich lautlos und agil, eine berobte Gestalt ausmachen und gelang unerkannt in Schlagdistanz zu dieser. Weiter unten im Raum, unter einem Podium erkannte man Bürokrates, der wohl nur aufgrund der Dunkelheit noch nicht entdeckt worden war. Unklar war, wo sich Konrad hin gestohlen hatte, aber das war per se noch kein schlechtes Zeichen. Er hatte sich im Raum eher rechts orientiert.

Es waren wohl nur wenige Augenblicke, aber dem jungen Tileaner war, als wäre das Rauschen seines Blutes in den Ohren so laut, wie das tosende tileanische Meer am Cappo Cino. Sein Atem erschien ihm unendlich laut, und je mehr er sich beruhigen wollte, desto mehr schnaufte er aus und ein. Endlich schlug der Hutträger Bürokrates los, der Tileaner war schon beinahe umgekommen vor Spannung. Das schmatzende Geräusch von Klingen welche Fleisch zerfetzten, ein anderes Wort war ob der Szenerie nicht ausreichend, eröffnete den Kampf. Zwei Dolche glänzten in der Dunkelheit auf, und noch ehe der Kerl vor Vino darauf reagieren konnte, hatte er schon die stachelbewehrte Keule des Tileaners im Rücken und ginge ächzend zu Boden. Ein leises Röcheln zeugte, davon dass er ihm wohl die Rippen gebrochen hatte oder zumindest die Lunge eingerissen war, denn nur ein weiterer Schlag hinderte den Kerl daran wieder aufzustehen und beendete wohl auch dessen Leben.

Aus der Richtung wohin sich Konrad geschlichen hatte, vernahm man auch Kampfeslärm. Offenbar war der Dieb im Vorteil geblieben auch aufgrund des Überraschungsmoments, aber Myrmidia leitete den Waffenarm des Ranaldjüngers wohl nicht ganz so wohlwollend. Ein Schnalzen durchschlug den Lärm der Kämpfe, ein Blitz erhellte den Raum, man erkannte eine Person auf dem Podest, welche die Hände von sich gestreckt hielt und irgendwelche unverständlichen Wörter von sich gab.

Plötzlich hörte man Schmalfuß, der immer noch in keinster Weise für einen Kampf tauglich war, ganz abgesehen von seiner Unfähigkeit, schreien. Scheinbar hatte es doch noch verborgene Schergen gegeben, welche die Nachhut beziehungsweise die Fernkämpfer attackieren. Eine heimtückische Vorgehensweise, doch deswegen nicht minder effektiv. Hoffentlich konnten der Zwerg und der Elf das Ruder herumreißen, man vernahm Geschrei und Gebrumme Harrads. Glücklicherweise hatte Konrad seinen Widersacher nach einigen Versuchen nun doch niederstrecken können, und er entschwand in die Dunkelheit. Offenbar eilte er dem Fernkampftrupp zu Hilfe. Bürokrates hatte sich fixiert auf die offenbar weibliche Gestalt auf der hölzernen Plattform. Diese war getroffen worden, scheinbar kein Musketenschuss, sondern ein lautloser Bolzen, der mit einem sanften “Klack” von Oberon geschossen worden sein musste bevor sich dieser in den Nahkampf begeben musste. Eine garstige Weiberstimme erklang auf klassisch und offenbar, beendete  sie was auch immer gerade ihr rituelles Vorhaben gewesen war und versuchte zu entkommen.

Der Handelsmann war, seinem Nager nicht unähnlich, auf ihrer Fährte und verfolgte sie wagemutig in eine Öffnung, wohl ein geplanter Fluchtweg oder eine Falle. Die beiden verschwanden aus dem Blickfeld, aber nach wenigen keuchenden Atemzügen des Tileaners, während welcher dieser zu einer Lore hechtete, kehrte Bürokrates zurück. Sein Dolch glänzte schwarz auf und offenbar tropfte noch Blut von diesem herab. Der Tileaner hatte hingegen den Hebel dieses Wagens umgelegt und dieser nahm auf den Schienen beständig Fahrt auf.

Erinnerungsfetzen: Der Rattenfänger mit seinem Getier, stets bloß im Augenwinkel des Tileaners der Gruppe folgend.


Der Grund für dieses Unterfangen lag in einem Schützen welcher auf Konrads Seite im Dunkeln unentdeckt geblieben war. Ein Bolzen der neben dem Tileaner eingeschlagen hatte, war Hinweis genug, und mit einer fast unangebrachten Ekstase klemmte sich der Söldner geduckt hinter die Umwandung des Gefährtes.

Es war ein Moment der Ruhe inmitten der Kampfeswut um ihn herum. Zwerg, Elf, Schmalfuß und nun auch Konrad fochten am Eingang. Bürokrates kroch gerade wieder aus seinem Loch hervor, seine Widersacherin hatte er wohl gemeuchelt. Vino hingegen fixierte den Punkt, wo er den Schützen vermutete und schrie auf Tileanisch: “Ti ucciderò”

Durch seine Ausbildung als Söldner konnte er sich in etwa ausrechnen, dass der Kerl wohl gerade panisch versuchte in der Dunkelheit seine Armbrust nachzuladen. Oder wenn er schlau genug, war ließ er von der Armbrust ab und machte sich kampfbereit. Ein Schuss auf den Schädel des Tileaners oberhalb der Nase musste selbst für einen Scharfschützen unmöglich erscheinen. Noch dazu war es finster und das Vehikel hatte mittlerweile einiges an Geschwindigkeit aufgenommen.

Erinnerungsfetzen: Oberon heilt den niedergestreckten Mitstreiter Schmalfuss


Dann geschah, etwas das nicht passieren durfte. Seine schockierte Fratze wurde ihm zur Seite gerissen, ein Hautfetzen löste sich sofort vom Knochen. Ein sengender Schmerz machte sich in seinem Gesicht breit und Blut ergoß sich schwallartig aus seinem Mund, vermengt mit Speichel welcher wohl aus seiner eröffneten Mundhöhle austrat. Der Söldner aus Tilea nutzte den ersten Rausch des Adrenalins welcher ihm in die Glieder fuhr, und tötete seinen Widersacher mit aller ihm noch möglichen Gewalt. Er sah grausam aus, sein Gesicht würde wohl entstellt werden, mit blutigen Fingern versuchte er die Hautfetzen wieder an ihren Ursprungsort zu drücken, während er in der freien Hand seine Keule in Richtung der anderen schleppte um den sich nun abzeichnenden Sieg mit ihnen gemeinsam zu Ende zu bringen. Vielmehr aber auch um die beruhigenden Worte Oberons zu hören, der sicherlich sein Möglichstes tun würde um den seinen jungen tileanischen Freund zu retten. Vinos Schritte wurden schwerer, ein Geschmack nach rostigem Eisen machte sich in der Mundhöhle breit, das Blut in seinem Mund geronn langsam, und auch schluckte er immer wieder unbeabsichtigt etwas davon hinab. Der Schmerz wurde immer größer und Schwindel setzte ein, welcher ihn wankend in die Arme seiner Gefährten taumeln ließ. Die Widersacher waren fürs Erste wohl in die Flucht geschlagen. Zeugnis davon waren die Überreste der Cursusanhänger, welche die Umgebung schmückten. Doch zu welchem Preis? Wie war es seinen Kameraden ergangen? Schmalfuß halb zermalmt von dem Gewächs, Vinos Gesicht in Fetzen. Konrad war seitdem er ihn kannte in einem bemitleidenswerten Zustand und trug immer wieder Blessuren davon, sogar Harrad, Oberon und Bürokrates sahen dementsprechend mitgenommen aus. Wie lange würde die dunkle Vault ihnen noch alles abverlangen, bis sie dieser endlich ihre Geheimnisse entlocken konnten?

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