Dienstag, 26. April 2022

Insetti maledetti


Konrad, Vino und "Bürokrates" werden im Dunkel der Wurzel verwucherten
Zwergen Vault von widerlichem Getier attackiert

Nachdem die Drehrichtung des steinernen Mechanismus korrigiert war, und das Pferd weggeführt wurde, gewann das überdimensionale Drehschloss an Momentum. Immer schneller liefen die Gruppenmitglieder, nur der von Vino abermals verfluchte Bürokrates stand nur grinsend daneben, er hatte wohl gerade seinen Nager geküsst.

 

Plötzlich ein lautes „Klonk“ fast ohne Vorwarnung blieb der gesamte Mechanismus stehen und rastete ein. Kurz zuvor war das Drehen immer anstrengender geworden, so als würde man einen Lappen auswringen, zuerst ist es ganz einfach das Wasser herauszupressen, und je fester man das ganze verdreht umso mehr Kraft muss man aufwenden. Jedenfalls, schafften es all jene die auf dem Steinkreis gelaufen waren um diesen in Drehung zu versetzen abzuspringen. Nur Elvino, der sicherlich in normalen Umständen einer der gewandtesten auf den Beinen war, schaffte es nicht. Offenbar doch noch zu geschwächt, und überanstrengt vom Laufen, verlor er das Gleichgewicht und er wurde gen Hügelkante geschleudert, wie sonst nur Steine aus Karls Steinschleuder. Er versuchte seinen Flug zu bremsen, aber nichts half. Im Augenwinkel zischte der dreckige Arm Bürokrates‘ vorbei, den Vino aber nicht greifen konnte, und knapp vor dem Rand schlug der Tileaner dumpf im Schnee auf. Das würde sicherlich einige blaue Flecken und Prellungen verursachen, aber es hätte weitaus schlimmer ausgehen können, wenn er über die Kante hinab geschleudert worden wäre. Diesen sturz hätte er nicht einmal mit dank einer abermals zufällig vorbeikommenden Lumpensammlerin überlebt, welche den Aufprall verlangsamen hätte können.


Während der Drehwurm noch Vinos Sinne betäubte, und er sich in einem gewaltigen Schwall in den Schnee erbrach, waren die anderen bereits in blankem Aufruhr. Vino blickte auf die kurz noch von der Körperwärme dampfenden Beeren welche der Bauernbub so pflichtbewusst gesammelt hatte, während die anderen sich schon bereit machten um die Vault, zumindest die Vorkammern, zu besichtigen. Lichter und Lampen wurden entzündet, als Herat mahnte:„Entzündet’s nur Laternen, kei‘ offns‘ Feuer. Der ganze Staub und Feuer, des gibt sinst o gewaltigs Feurli“

 
Also löschte Vino seine Fackel wieder, und nachdem alle bereit waren stiegen Sie hinab in die trockene Luft welche hoffentlich seit Jahrhunderten kein anderer Mensch oder Zwerg geatmet hatte. Der Zwerg ging voran, was aufgrund seines Fachwissens und seiner körperlichen Verfassung sicherlich sinnvoll war, und der Rest folgte hinterher. Nach kurzer Zeit stießen Sie auf eine Nische, die alle unbehelligt ließen, außer Vino der sich dachte: „Schade um die hübsche Zwergenleuchte, außerdem ist es hier ohnehin viel zu finster“ und griff nach der Laterne. Im Imperium zwar unbekannt, aber der Nachname Elvinos „de Fuero“ bedeutete im lokalen Dialekt Pavonas so viel wie „des Feuers“. Kurz gesagt, wie hätte er denn widerstehen sollen. Die anderen vor ihm blickten erst entsetzt auf Vino, und dann auf die Wand welche ein lautes Krachen von sich stieß und dann sich auf den schmalen Pfad voran schob, auf der anderen Seite ein Abgrund der ins schwarze Nichts führte. Glücklicherweise konnten alle Kameraden Elvinos noch rechtzeitig zur Seite springen. Nur den nichtsnutzigen und offenbar tollpatschigen Bürokrates hatte es hinab in die Dunkelheit geschleudert. Das Herz sank Elvino in die Hose, natürlich war der Kerl unsympathisch und ein Rattenfreund, aber das wollte er nun wirklich nicht. Hatte der Tileaner – wieder einmal – jemanden unabsichtlicherweise in Morrs Reich geschickt?

Ein glücklicherweise nicht allzu ferner Aufprall, das hörte Vino sofort, und ein verbissener Schmerzensschrei von Bürokrates und ein Fiepen seiner fettigen Ratte. Gefolgt von einer Staubwolke welche heraufstieg und einen süßlichen Geruch mit sich trug. Nach einigen Augenblicken der Stille rief es herauf, „Ich bin in Ordnung, aber hier ist eine Leiche!“

Mit seiner neu erworbenen Zwergenlaterne leuchtete der Tileaner hinab, und so konnte der Hinabgefallene die schon beinahe zerfallenen Überreste genauer inspizieren. Offenbar handelte es sich um einen Zwerg, es waren nur mehr die staubigen Gebeine übrig und ein paar zerfallende Fetzen seiner Kleider. Zu allem Überdruß fand Bürokrates noch einen zwergischen Ring dort unten, also hatte Elvino ihm in Wahrheit einen Gefallen getan. Wenigstens hat Herat diesen gleich an sich genommen, offenbar ein Erbstück oder etwas in der Art.

Jedenfalls stieß der Glückspilz wieder zur Gruppe, über eine Treppe, die zuvor in der Finsternis und dem Tumult unentdeckt geblieben war. Sie merkten sich die Stelle um den Leichnam auf dem Rückweg ordnungsgemäß zu bestatten.

 

Viele Strukturen der alten Beirinthi Vault sind vom Wurzelwerk völlig zerstört oder überwuchert

Vorsichtig setzten Sie Ihren Weg fort, und da war es wieder, dieses Zirpen. Vino kannte es aus heißen Sommern in Tilea, auf den Weinbergen es war ohrenbetäubend laut. Hier war es leiser, aber es war auch viel kälter, vermutlich waren die Tiere deswegen nicht so groß und laut wie in südlicheren Gefilden. Er hatte es, seinem guten Gehör geschuldet, in den letzten Tagen immer wieder vernommen. Eigentlich dachte er, diese Tiere würden nur bei wärmeren Temperaturen gedeihen, aber was wusste der Söldner aus Tilea schon über die Fauna im Imperium.

Am unteren Ende einer Wendeltreppe angelangt erkundeten die Gefährten einen größeren Raum, eine Art Vorhalle, links und rechts konnte man im Lampenschein zwei Aufgänge erahnen. So wie ein paar Öffnungen links und rechts in der Dunkelheit. Wenn man doch nur besser sehen könnte, dachte Vino, als die Gruppe sich gerade aufteilen wollte um den Raum genauer zu beleuchten. Da war es plötzlich wieder, das Zirpen, viel lauter als zuvor, beinahe ohrenbetäubend. Dazu kam nun das Getrappel von Beinen, jedoch klang es komisch, war das ein Echo, oder warum waren so viele Schritte zu hören. Außerdem nicht dumpf und platschend wie ein Menschen- oder Zwergenfuß sondern fast als würde man einen biegsamen und doch standfesten Ast auf eine Steinplatte drücken.

Ein seltsamer Glanz fiel Vino ins Auge, fast wie ein gebogener Spiegel, der das Licht des Feuers verzerrte. Einige kostbare Momente vergingen, ehe die Gruppe realisierte was vorging, als Vino ausrief, dass alle die Waffen greifen sollten. Der Langfinger hatte sich schon von der Gruppe entfernt, sicher um unbemerkt etwas in seine Taschen wandern zu lassen, und der Nager und sein Besitzer hatten sich schon von der Gruppe getrennt. Idealerweise bildet man in einer solchen unklaren Situation einen Kreis und kämpft Rücken an Rücken mit seinen Kameraden, aber die Hälfte war schon wieder irgendwo, fluchte Elvino. Bevor der Tileaner in den Nahkampf verwickelt wurde, entzündete er noch einen Brandpfeil, allen Vorwarnungen zuwider, und feuerte diesen auf eines der Getiere ab. Kurz erleuchtete der zischende Brandpfeil das Wesen und es war in etwa so groß wie ein Hirtenhund. Diese Tiere waren allerdings weniger zutraulich, und die gepanzerten, langgliedrigen Körper waren furchterregend und gespickt mit allerlei Stacheln, Kauwerkzeugen und glänzenden Augen in großer Anzahl.

Der erfahrene Schütze fand dennoch sein Ziel und der Pfeil bohrte sich tief in die offenbar verwundbare Unterseite des Tieres, ehe dieses Reißaus nahm und von seinem Vorhaben abließ, der kurzen Genugtuung folgte ein markerschütternder Schrei. Die beiden Alleingänger hatten versucht sich zu verbergen, aber diese Kreaturen mussten an die Dunkelheit gewohnt sein, nachdem diese Stätte hier ihr Heim war, also ein dümmlicher Versuch. Noch bevor der Tileaner losstürmen konnte um einen der sechsbeinigen Angreifer abzuwehren, fiel das Vieh über den Dieb her, der Rattenfreund war scheinbar als artverwandtes Ungeziefer unbehelligt geblieben. Ein markerschütternder Schrei übertönte das dauerhafte Zirpen welches den Raum erfüllte und mit einem schmatzenden Geräusch verbiss sich das Untier im Arm des ohnehin schon ausgemergelten Konrads. Als wäre sein Ärmel in Flammen aufgegangen versuchte er das Ding abzuschütteln, und stach immer wieder hilflos mit seinem Dolch auf dem Panzer nur um erfolglos abzurutschen, ehe der Tileaner und noch ein weiterer in der Dunkelheit und der Eile unerkannt gebliebener Kämpfer das Vieh zerquetschen konnten. Der Zwerg und der nicht vollkommen unnütze Bürokrates konnten offenbar einem weiteren Tier den Garaus machen, und so fanden sich zwei Insektenkadaver und einiges an Blut auf dem zwergischen Steinboden.

 

So plötzlich der Angriff gekommen war, so schnell war er auch wieder vorbei. Das einzige das verblieb, war das Zirpen, weitaus leiser als zuvor und die Schmerzensschreie von Konrad. Mit glänzender Stirn und im fahlen Licht kämpfte der Elf, wie schon so oft, um das Leben und die Gliedmaßen seiner menschlichen Mitstreiter. Wenngleich auch erst kürzlich zur Gruppe gestoßen, ein derartiges Ende wünscht man niemandem. Zerrissen und zerfressen von zwergengroßen Insekten, alleine und in der Dunkelheit, irgendwo im Untergrund ohne Familie mit lediglich ein paar Fremden an der Seite, nicht weil man es sich so erwählt hatte, sondern weil es die einzige Option war welche ein Überleben versprach. Welches Schicksal wohl der Zwerg erlitten hatte, dessen Überreste sie zuvor gefunden hatten. Beim Gedanken daran erschauderte der Tileaner, welche Bestien hier wohl noch auf Sie warten würden…

 

Oberon führte den geschundenen Langfinger nach draußen, und gelobte so bald als möglich zurück zu kehren. Die drei verbliebenen Streiter orientierten sich kurz neu und untersuchten dann die Werkstatt, welche in einem weiteren Raum entdeckt wurde. Eine langgezogene steinerne Tafel trennte diese in zwei Hälften und Herat erkannte auf der einen Seite die Gildenzeichen zweier verschiedener Handwerksgilden. Einerseits jene der Schmiede auch gekennzeichnet vom obersten Zwergengott Grungni mit einem prächtigen aus Stein gehauenem Bart. Andererseits eine unwichtigere Gottheit, der Glasbläser, so erklärte es der Zwerg. Dem Tileaner blieb der Mund offen stehen ob der schieren Mächtigkeit dieses Ortes in Kombination mit dem unfassbaren Alter dieser Mauern und Gebilde. Hinter den Statuen prangte ein künstlerisch gearbeitetes Ornament mit einer Öffnung darin.

Nach einer Weile des Staunens und dem gespannten Lauschen der Ausführungen Harad zu den verschiedenen zwergischen Strukturen welche sich in dem Raum fanden. Entdeckten Elvino einige Kisten hinter den Statuen, die meisten davon verschlossen und mit leicht schimmernden zwergischen Symbolen, offenbar Runen genannt, verziert. Eine war jedoch geöffnet und der Söldner mit den schnellen Händen ließ, hoffentlich unbemerkt, einige Stück Silber in seinen Klingelbeutel gleiten

In den Untergrundwerkstätten der Zwerge:
Eine Öffnung in der Wand,
die leicht an ein Ohr erinnert

Die Ohren klingelten, fast so als würden Sie versuchen die schallgeschwängerte Luft zu übertönen. Vino war es, als würde der ganze Bau samt Hügel vibrieren und ein metallenes Geräusch erzeugen, einerseits peitschend im Ohr wie der Schlag eines Schmiedes auf einem Amboß. Andererseits aber dumpf und kräftig, den Körper durchdringend wie ein allumfassender Schlag der einem die Luft und die Sinne nahm, seine Wahrnehmung verschwamm, seine Beine wurden ihm weich und er musste sich anhalten. Sterne vor den Augen und ein Klingeln und Rauschen in den Ohren wollte der junge Tileaner nur noch weg von diesem Ort. Vielleicht traf ihn das Geräusch stärker aufgrund seiner empfindlichen Ohren, in jedem Fall bedeutete er mit einigen Handzeichen dem Zwerg, dass er sich zurückzog. Bürokrates war offenbar auch dabei sich davon zu stehlen, und dabei von einem noch herumkreuchenden Getier angefallen worden. Zu seinem Glück konnte er das Ungeziefer abwehren.

Die beiden abgekämpften Gestalten flüchteten ins Freie und Oberon kam Ihnen am Weg zurück entgegen, nachdem er Konrad versorgt hatte. Sie berichteten kurz und viel zu laut, die Ohren rauschten und pfiffen Elvino noch immer, von den vorangegangenen Geschehnissen. Müde und erschöpft zog sich der Tileaner ins Lager zurück, und verkroch sich neben dem Feuer. Unweit von ihm lag Konrad, halbtot der Arm in Verbände gehüllt. Ab und an dachte Vino, dass Konrad den Mund öffnete um Laute von sich zu geben, aber er konnte beim besten Willen nichts hören. Erschöpft und immer noch benommen fiel Vino in einen unruhigen Schlaf, Morrs Reich der Träume bot ihm nicht viel Erholung, sondern rief ihm grausame Erinnerungen zurück, welche der junge Söldner am liebsten verdrängte. Wandelnde Tote, hundsgroße Insekten, berobte Fratzen welche verdorben auflachten in einer fremden unverständlichen Sprache Befehle zischten. Eine davon hatte ein Mal auf dem Körper, ähnlich jenem, das Elvino bei dem aufgehängten Dieb gefunden hatte. Plötzlich lachte ihm Julius entgegen, diese garstige Mutation. Vino wälzte sich herum, wachte erschrocken auf, er konnte nichts hören. Seine sonst so zuverlässigen Ohren waren sein Schutz, darauf konnte er sich normalerweise immer verlassen. Außer dieses eine Mal, wo der Salesianer neben ihm aufgetaucht war, wie ein Blatt das lautlos von einem Baum herab segelt. Er rieb sich die noch viel zu frische Wunde, legte einen dicken Ast ins Feuer nach und suchte mit seinem Blick nach Oberon, doch dieser war nicht da, der komische Bürokrates auch nicht. Es half alles nichts, er drehte sich um und irgendwann obsiegte die Erschöpfung über seine innere Unruhe und Furcht und er verschlief die nächsten Stunden.


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