Dienstag, 31. Januar 2023

Die Laufburschen und der Rattenkönig (Reikerbahn Teil 2)


Gicki Ricki - das normalste Hendl der Welt

Bericht Oberons aus dem Haus der Bal Drian über die Geschehnisse auf der Reikerbahn.


Wie sehr erfüllte mich doch diese Arbeit mit süßer Schwermut. Die klirrend kalte Luft die um uns den Schnee durch die offenen Tore der Bader Werkstatt auf der Reikerbahn kehrte, lies mir einmal mehr kribbelnde Gänsehaut über den Rücken streifen. Ich zog die Hände aus dem warmen Badewasser in dem ich gerade die Vorzüge meiner Arbeit hier genoss, wischte den Schaum an meiner Schürze ab und genoss für einen schwelgerischen Augenblick die beruflich adequate Langeweile und willkommene Ereignislosigkeit. Ich wusste schon, jene Momente würden nicht von Dauer sein, und würde ich sie zu lange vollrichten, sollte mich Wanderlust und Ehrgeiz nach Schicksalhaften Taten wieder fort treiben, von simplem Tagesgeschäft.


So freundlichen und respektvollen Umgang unter Kollegen war ich seit meiner Abreise aus Marienburg nicht mehr gewohnt, das Imperium der Menschen wollte immer wieder überraschen. Weidinger-Wödlinger, der stotternde doch zunfterfahrene Talabheimer Arzt, Frau Doktor Wagner, eine Ärztin, die Altdorfer "Bürgerlichen" Medizinerin im Nordosten nahe an der Reiksbrücke beheimatet, sowie die Kollegen Eduard Serchek aus Bad Hohne, derzeit mit Rinder und Oger-Badungen an einem Kanal (Wolpurg von Tischbein Oppelt??) beschäftigt und Dr Katharina Kleumstein aus Übersreik und hier im Gefolge so genannter Saponatenheimer: Sie alle boten lehrreiche Diskurse und die zur Verfügung gestellten Ressourcen erlaubten ein Aufstocken meiner Salben und Bandagen Vorräte.

Frau Dr. Wagner, Ärztin
Wir scherzten, fachsimpelten und gingen Wundversorgenden der Patienten nach, und wechselten uns ab, diese in heißem, jedoch schaumarmen Zuber zu baden. Normalität. Ruhe, Geselligkeit, mundan doch produktiv. Ich könnte mich an diese Art Arbeit fast gewöhnen und bereute so keinen Moment,  mich bei der Zuteilung zu vorübergehenden Dienststellen für sämtliche Begleiter der geladenen Empfänger der Roten Briefe, durch den Stadtmauer Offizier Wenzel für diese Tätigkeit gemeldet zu haben. 

Syfryd und Karl indes, hatten Kistenschleppen bei der Technikus Akademie-Unterkunft ausgefasst. So sehr ich auch diese neue Gesellschaft hier genoss, unweigerlich zog mich das Schicksal nach kurzer Zeit wieder in den Umkreis meiner Mitabenteurer und Infiltrations-Kameraden, kürzlich in Fillingers Villa, wie nun auch hier auf der Reikerbahn. 

Denn wie man es auch drehte und wendete, und so gern ich tatsächlich zur Abwechslung unter sauberen und stressbefreiten Umständen meiner neuen chirurgischen Profession nachgehen zu können wahrnahm, Tatsache war, dass wir hier nichts verloren hatten, herausstachen wie bunte Hunde. So sehr auch alles in wortwörtliche Farblosigkeit getaucht war, und wir möglichst nicht auffallen sollten. 

Ein Elf mit versengten Augenbrauen und voll beladen mit Spritzen, Tränken und Flaschen. Ein mit Rüschen überzogener Halbling mit einem Flügel statt dem rechten Arm sowie dem Hühnchen mit dem Todesblick. Und natürlich der zwar vergleichsweise dem Äußeren nach unauffällige Mensch Syfryd, der jedoch durch respektlose Aufdringlichkeit, ständig Amtsträger, Goldene Hunde und Wachen auf sich aufmerksam machte und so in seiner scheinbar Großstädtisches Soziales Milieu nicht gewöhnten Art um nichts weniger geradezu nach Ärger schrie. Was könnte hier noch groß schief gehen?

Wenig überraschend also, dass ich nach kurzer Zeit schon wieder den Weg meiner Gefährten kreuzte und diese beim Jausenbrot, vor der Akademie-Unterkunft antraf. Auch sie hatten das Glück eines umgänglichen vorübergehenden Vorgesetzten im Akademie Vorsteher Technikus Viktor Schauberger gefunden, der sie für einfache Schlepp - und Laufburschen Dienste einsetzte. Als Dank für eine kurzfristig bereitgestellte Schnauzbartrasur überlies mir dieser eine Phiole seiner selbst erfundenen Schmier und Gleitmittel Tinktur "Wundersames Draufgängerzeugs 40%", denn gepflegte Gesichtsbehaarung symbolisierte nicht zuletzt Status und Stilbewusstsein unter selbst den urbansten Imperialen.

Meinen Auftrag der Bader, ihnen aus den Alchemisten Lagern Neutralseife zu besorgen mit jenem meiner Gefährten, ich denke Dung oder dergleichen an selbigem Ort zu holen, kombinierend, machten wir uns durch die weitläufigen Kellergewölbe der Akademie Unterkunft-Taverne, voller Materialkisten und geschäftig durcheinander eilender Dienstboten auf, in die Gewölbe unter dem Theater.
Ein langer, steinerner und zu seinen Seiten steil absinkender Grat führte dort wie eine Wirbelsäule durch den Untergrund, verband über klaffende Abgründe den Zentralgang mit Rippen-Brücken zu seitlichen Lagerräumen mit Theaterkostümen. Gefolgt von einem Raum mit Gegengewichtsbalken die sich wie selbst gesteuert, rasant einige Meter über uns von der Decke hoben und senkten, wie die übergroßen Cousins der Gewichte in einer Kuckucksuhr, schienen sie das manövrieren des Bühnenbilds darüber zu erlauben.

Akademie Vorsteher Viktor Schauberger

Wir stießen weiter in den spärlich illuminierten Kellerkomplex vor. Dort trafen wir, zu Syfryd und meiner angenehmen Überraschung, auf Schmalfuß und Harrad, die ebenfalls ihren Fähigkeiten entsprechend hier eingeteilt waren und sich mit der wieder Instandsetzung eines massiven Materiallifts beschäftigten, der anscheinend im Dachboden Geschoss verkeilt war. 

Wir akzeptierten die zusätzliche Aufgabe da uns angeordnete Besorgungen scheinbar ebenfalls dorthin führten und verließen die beiden Mechaniker, in der Hoffnung zu späterem Zeitpunkt in einer Taverne mehr zu erfahren was ihnen seit unserer letzten Misson widerfahren war. Schmalfuß' neue insektenartige Greifarm Vorrichtungen an den Schultern und Harrads Kommentare zu dem Interesse der ihn beherbergenden Akademie an sowohl dem Runenstab des Wachstums wie auch seinem Wirrkopfschen Flugaparat versprachen nötige Erläuterungen.

Da wir als lediglich begleitender Leibarzt, Leibwächter und welche Funktion auch immer Syfryd erfüllte, am ersten Tag nichts im Theater verloren hatten, konnten wir vom Keller aus nur mithilfe eines, in der Außenmauer einer Wendeltreppe versteckten Dienstbotengangs die höheren Etagen des Warga Breughel Gedenk Theaters erklimmen. Immer wieder konnten wir durch Ritzen und Balkone Teile der Bühnenaufführung bewundern, scheinbar war der offizielle Anlass dieser Adeligen- und Einflussreichen-Zusammenkunft, anders als mir vertraute Elfische Theaterdarbietungen die zu aller erst der Unterhaltung dienten, tatsächlich vielmehr der nebensächliche Hintergrund der Logengespräche. Doch auch unser Hauptaugenmerk galt mehr dem Ausweichen der Wachen als dem Stück zu lauschen, was schade war, gerne hätte ich der noch nie der dagewesenen, mehrtägigen Interpretation zum Leben Sigmar Heldenhammers gelauscht.

Imposannte Treppen und Balkone im Theater
Durch eine Geheimtür in einem Gemälde, dem Gockel auf Karls Kopf mehrmals den Schnabel verbietend, schlichen wir uns an Wachen vorbei, deren Ausrüstung mit jedem Stockwerk schwerer wurde, denn die fünfte Etage der Logen war scheinbar nur dem Hochadel und persönlichen Freunden Detlev Sierks vorbehalten.

Auf dem Dachboden über der Theaterhalle angekommen, klaffte uns eine kalte Wüste aus Staub, abgestelltem Gerümpel und angenagten Dachbalken entgegen. Über den Logen, Publikumsbereich, Orchester und der Bühne aufragenden Kuppeldachwölbungen unter uns, mehreren Seiten- und Quergängen entlang, folgten wir hinein ins Ungewiss. All dies getränkt in fensterlose Dunkelheit, nur durchstochen von verloren flackernden Kerzen, unklar durch wen entzunden, und uns unabwegig musternden Rattenaugen.
Obwohl wir alle drei nicht schlecht im Dunkeln sehen konnten, blieben wir doch in naher Reichweite meiner Lampe, denn immer wieder versuchten uns die Rattenschwärme zu isolieren. Sie provozierten unter der, durch Syfryd ausgemachten Führung eines besonders imposanten, in kleinere Artgenossen gehüllten, so genannten Rattenkönigs, insbesondere Gicki Ricki fortwährend und lockten den abgerichteten Kampfhahn immer wieder zu leichtsinnigen Angriffen aus unseren Reihen hervor. Zwischen den Kreaturen schien sich eine Art erbitterte Rivalität um die Position des hiesigen Alpha Raubtiers abzuzeichnen, die sich noch über einige weitere Begegnungen ziehen sollte. 

Derart belagert von den haarigen Biestern zogen wir uns geschlossen, doch schnellen Schrittes zurück, ermutigten sie dadurch zu scheinbar immer neuer Dreistigkeit, fanden aber in kreuzförmig Quer verlaufenden Tunneln Belüftungs- oder vielmehr Kaminrauch Abzugsschächte durch die wir die oberen Logen erstmals belauschen konnten.

Die Rede war dort unten von einem Goblingeneral der ein Vault Artefakt erbeutet hatte, Unruhen im Adelsviertel, von Gantners Aufenthalt in Praag, von einem groß angelegten Zweikorn Diebstahl durch den eine Hungersnot drohte und, dass der Sohn des Imperators persönlich, sowie der berühmte Abenteurer Felix Jäger scheinbar sogar die Veranstaltung besuchte, ein vermutlich sehr geläufiger Nachname zu dem sich versehentlich seine geheimnistuerische Fassade fallen lassend, auch Syfryd bekannte.

Viel wichtiger noch, erfuhren wir, dass es sich bei der Veranstaltung um eine Art Wahl zu einem Imperialen Amt handelte. Zu diesem der progressive, jedoch elitistische Richter Von Hohne aus dem Kurort den wir bereits besuchten und dem halblegale Unterfangen nachgesagt wurden, Von Feuerfratz, ein knausriger Adeliger mit einer Privatarmee und versessen darauf mehr militärische Sicherheit im Reikland einkehren zu lassen und ein Großhändler genannt Steinitz, der fruchtvolle Kontakte in den Süden des Imperiums hatte, und schnell Getreide herbeischaffen könnte, alle in Frage kämen.
Erneut unterwegs und ebenso wieder von den Ratten bedrängt, fanden wir auch einen ominös in dieser Umgebung erleuchteten Altar des Totengottes, ausgelegte Fallen sowie einen Lagerraum mit fast lebensecht, oder vielmehr versteinert als gehauenen anmutenden Wasserspeiern. 

Auch wenn ich noch nicht ganz Karls Hysterie die Kreaturen betreffend teilte - er meinte in dem Gefiepse verständliche Worte ausmachen zu können - hatten wir nach bisherigen Abenteuern doch beide einen Verdacht über mögliche Hintergründe und Faden Zieher der ungewöhnlich aggressiven Ratten. Syfryd, selbst gelernter Rattenjäger, sah in ihnen lediglich dumme Tiere, wenn auch gefährlich, und unterdrückte missmutig seinen einzelgängerischen Erkundungsdrang und meinte die Belausch-Rohre hier am Dachboden nur vor menschlichen Spitzeln versiegeln zu müssen. Wir beließen ihn in seiner jugendlichen Gutgläubigkeit und zogen es vor unsere geistige Gesundheit vor ihm nicht noch weiter in Frage zu stellen. Er würde sie eines Tages schon noch selbst erleben.

Nach langem herumirren fanden wir schließlich, hinter den wirren Schläuchen und Rohren des sich später als zur Repulsinen-Duftorgel Schaubergers gehörend erweisenden Apparats, unser angestrebtes Ziel, das Alchemistenlager. Da sich der Gockel und meine Gefährten nach mehrmaliger Flucht nun zur Abwechslung mit nur einzelnen Ratten in den Regalen mit den Chemischen Substanzen konfrontiert sahen, beschlossen sie diese wild zu attackieren. Was mein vorsichtiges analysieren der Bestände unterbrach und ätzende gelbe Rauchwolken aus den dadurch heruntergestoßenen Behältern ausbrechen ließ und uns weiter in den Gang drängte.

Die Reikerbahn draußen, vor dem dem Schleier der Bannkuppel

Zumindest hatte ich in dem Durcheinander die gewünschte Neutralseifen Chloridlauge und etwas Seife erbeuten können, sowie einen Einmachglas mit gefährlich wirkender, gelblicher Flüssigkeit.
Am Ende des Ganges zu guter letzt, fanden wir die überdimensionierte, mechanische Kontraption des Lastenaufzugs. Nicht etwa eine windige Holzplattform mit ein paar Seilen und Flaschenzügen, ein massives Metallgerüst mit endlosen Zahnrädern, Hebeln und Spurschienen war das Gerät, undurchsichtig in seiner genauen Funktionalität für jeden Laien der Ingenieurskunst. Umso seltsamer musste dabei anmuten, als Karl wie selbstverständlich zu einer der Zahnrad Verkeilungen trat und blindlinks einen Hebel-artigen Metallstift, oder Nagel daraus hervorzog und den Mechanismus dadurch wieder in Gang setzte.

Und keine Sekunde zu früh, denn durch den chemischen, gelblichen Nebel den Gang hinab drang bereits eine Kakophonie aus geiferndem Gefiepse, Gezische und Krallengetapse.
Unserer Unterlegenheit bewusst, doch durch die zahlreichen Erniedrigungen und das kleine Kopfgeld von dem wir durch einen Wachen in der niedrigen Etage erfahren hatten angespornt, ergriffen wir nicht länger gleich die Flucht. Ich versuchte mich auf der entfernten Seite des Aufzugs Rahmens zu verschanzen, denn dort könnten uns die Ratten nur eine nach der anderen begegnen, und wir uns zur schlimmsten Not auf die bereits langsam absinkende Liftplattform absetzen. So glücklich mein Sprung über den Schacht gelang, so kalt fuhr es mir, mich umdrehend sogleich auch wieder den Rücken hinunter, als ich nur den Luftzug verspürte mit dem Syfryds Sprung daneben ging und er nach unten stürzte. Ich konnte noch knapp seine Hand erreichen, doch versagte mir die Kraft den doppelt so schweren Fleischklops der er nun mal war wieder hochzuziehen, und so musste er sich nach unten fallen lassen. Er landete zwar halbwegs unversehrt auf der Plattform, war aber somit aus dem anstehenden Gefecht ausgeschieden.

Dann sollten es also nur Karl und ich sein, dachte ich, die sich in der taktisch vorteilhaften Lage gegen die Ratten -

Mir versagte plötzlich erneut der Mut, denn statt sich zu mir zu gesellen, stellte der Halbling seinen Vogel von seinem Haupt zu Boden und zog ein Wurfmesser. 
Hatte er völlig den Verstand verloren und sich von den vermeintlichen "Worten" der Ratten provozieren lassen?!

Doch Loecs ungehaltenes Gelächter in meinem Kopf wurde nur noch lauter, denn der Hahn schoss rücksichtslos in Ermangelung adäquater Abrichtung vor in die Masse der Ratten, unweigerlich seinem Ende entgegen. Karl, selbst einarmig und nur mit einem Messer bewaffnet, deutete mir hilflos sein Vogelvieh doch zu retten.

Ficke er. Doch. Mein. Leben.

Dachte ich in dem Marienburger Straßenjargon und verfluchte alle meine Kameraden, nicht mal der junge Vino hätte sich zu derart taktisch fraglicher Leichtsinnigkeit hinreißen lassen, und dessen Impulsivität hatte uns schon oft genug vergleichbar in den Unrat geritten.
Seufzend verließ ich meine Engstelle, rannte an dem dankbar blickenden Halbling vorbei und schlitterte neben dem Vogelvieh in das Meer der Rattenbrut. Knapp flog noch ein Messer von hinten an meinem Ohr vorbei und wurde nur von einem lebenden Schutzschild, in den Pelz des Rattenkönigs verknoteten unglücklichen Sprössling gebremst, der dankender weise auch sogleich von jenem verspeist wurde. Da bekam ich, nun schon zum dritten mal an diesem Tag, den schlangenartigen, schuppigen Schwanz des Gockels zu fassen.
Gicki Ricki

Nicht gänzlich seiner Situation unbewusst,  ließ dieser sich wieder hochheben und die Ratten bereits in Versen und Ellenbogen verbissen, schmerzerfüllt rannte ich mit ihm zurück zu Karl und dem Liftschacht. Ich riss den Protestierenden mit mir in das Loch und landete unsanft neben Syfryd während die beiden Gefiederten langsamer herabsegelten.
Wie gezielt drosch noch eine Flut aus Ratten aus mehreren Metern Höhe in Verfolgung auf mich herab, der fauchende Rattenkönig verweilte uns musternd oben an der Kante.

Längst schon hatte ich alle der größtenteils vom Sturz umgekommen, doch in krampfhaften Zuckungen sich noch in mich verbeißenden Ratten von mir in die, sie zermalmenden Zahnräder oder unter die Schuhe meiner Begleiter geworfen, da wurde ihnen klar, dass ich nur noch ins Leere um mich schlug und schwer verletzt sie alle verfluchte. Syfryd wollte mich noch beschwichtigen, Karl hockte nur schweigend im entfernten Eck des Lifts, doch mir war es alles zu viel, Stille und Abstand zu diesen Cretins, dem Dachboden und vor allem den verdammten, quietschenden Ratten war das einzige was mir helfen konnte. Wenig bekam ich mit, von dem Bühnenstück, vom Aufzug aus teils einsehbar. Dort tummelten sich zahlreiche in Felle gehüllte Barbaren Darsteller um einen Thron glaube ich noch zu wissen. Ein Frauenschrei aus dem Dunkel des Schachtes in der Tiefe echote zu uns hoch. Hatte ich jetzt schon Wahnvorstellungen?

Das Bühnenbild zu der Krönung Sigmars, zahlreiche
Darsteller umkreisen den Gründer des Imperiums


Als der Lift das Kellergeschoss erreicht hatte, erwachte ich aus meinem katatonischen Wanken und stürmte nur davon, vorbei an Harrad, Schmalfuß und Schauberger, die sich bei den anderen über das Geschehene erkundeten und über Verbesserungsmöglichkeiten des Mechanismus debattierten.

Ich brauchte Ruhe, ein warmes Bad, Papier um meine wirren Gedanken zu Papier bringen zu können, doch was ich fand, versprach alles, nur nichts davon. Vor mir ausgebreitet wie ein Vogel der gegen eines der begehrten Glas Fenster geflogen und auf der Straße gelandet war, lag eine Frau. Neben ihr ein Korb mit verstreuten Äpfeln. Eine Dienerin, mit dem Adels Enblem einer Schwalbe am Kleid. An ihrem Hinterkopf, eine kantenförmige Vertiefung wie durch das Trauma eines schweren Objekts.

Schauberger, immer mit neuen Kontraptionen
ausgerüstet und mit gepflegtem Schnauzbart

Ich sah hoch von der Toten, und vor mit stand der erstarrte Wachkommandant Wenzel, die Hand auf halbem Weg zum Schwertgriff. Mir blieb es im Halse stecken, nichts brachte ich hervor, nicht ein Wort, nicht ein Seufzen, nicht ein Fiepsen. Nur zögerlich deutete ich auf das Blut an einem der Bühnen Ausgleichs Gegengewicht Balken über ihr das mir aufgefallen war, der sich nach wie vor hob und senkte, jedoch weit außer Reichweite ihres Hauptes. 

Als Harrad, Schmalfuß und meine Kollegen sich zu mir gesellten, berichteten sie während unserer Fahrt noch den Schrei gehört zu haben, erlösten mich also von dem Mordverdacht, doch ich konnte nur schweigend daneben an der Wand kauern. Während Schmalfuß dem Wachoffizier noch die statistisch beinahe Unmöglichkeit eines derartigen Unfalles durch den Gewichtsbalkens an der willkürlichen Passantin kalkulierte, machten bereits tuschelnde, vorbeikommende Diener die zögerlich von dem Schauplatz zurückwichen, die Runde. Bald schon glaubte ich eine Frau wieder neben Wenzel erkennen zu können - war sie eine Adelige, eine Morrskult Agentin? Hier schien sie eine Art Ermittlerin, doch diesmal vollbusiger ausstaffiert als wir sie noch zuletzt mit den Morrsrittern am Tag, an dem die Pikade entstand angetroffen hatten. Sabrina nannten sie sie, und Syfryds fixiertem Blick entnahm ich die Sinnhaftigkeit ihrer Gewandung auf dieser von menschlichen Männern dominierten Veranstaltung. Ich muss zugeben zu späterem Zeitpunkt auch unlauterer Gedanken anheimgefallen zu sein, zu jener Zeit hatte ich hierfür nur leider keinen Sinn.
Ich wurde hochgerissen und außer Hörweite des "Unfall"-Ortes an die Wand gedrückt. Ein halb zahnloses Knurren, wettergegerbtes, faltiges Gesicht, spärliches, fettig zurückgekämmtes graues Haar, ein zerschlissener Ledermantel der zahllose Waffen verbarg und ein erfolglos geschüttelter, keinen Tropfen spendender silberner Flachmann: Manfred der Hexenjäger aus Heideldorf!

Er gebot mir nur, wie gewohnt griesgrämig, meine Freude über den alten Freund zu verbergen, wollte kurz über den Sachverhalt aufgeklärt werden und konnte nur Fluchen über seinen zugeteilten Einsatz an der Seite von Magiern und Wichtigtuern, hier auf der Reikerbahn. Meine Erkundungen nach dem Verlauf der Gerichtsverhandlung nach den Zwischenfällen auf dem Wurstfest und wem wir nun ein privates Kopfgeld verdankten auf später vertröstend trat er mich zum Anschein meiner einfältigen, unbrauchbaren Unwissenheit hinaus auf die Straße. Er spielte seine Rolle als angsterregender Ermittler und Häretiker Henker ,Weltenhass erfüllt nüchtern und unsanft, was ich dankend als Freundschaftsdienst interpretierte.

Gerade dabei auf und davon, all jene verstörenden, kürzlichen Erlebnisse hinter mir zu lassen und die elende Seife abzuliefern, holten mich noch auf der Straße Syfryd und Karl ein. Letzterer bot mir, untypisch für ihn, doch scheinbar aufrichtig und schuldbewusst dankend seine Hand an und versicherte mir künftige Hilfe und Beistand. Sein Habitus war scheinbar von derartiger Gravitas geprägt, dass es ihm sogar der Gockelhahn auf der Schulter nachempfand. Widerwillig, doch die Geste anerkennend schüttelte ich Karls verbleibende Hand und ebenso den Schnabel des Tiers.

Da vergaß ich für nur einen Augenblick meine bisherigen Erfahrungen mit dem Hahn und unsere Blicke kreuzten sich. Lähmende Kälte schien sich spontan von meinen Knochen nach außen durch meine Muskeln und Organe auszubreiten. Wie betrunkene, schlaffe Unkontrolliertheit ergriff meinen Leib. Schwärze aus der Peripherie meiner Sicht verengte sich bis auf die stechenden Augen der Kreatur, und traumloses Nichts umfing mich.

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