Dienstag, 16. Mai 2023

Altezze ariose - I pilastri del cielo - Himmelspfeiler 1

Die Bilder in der Erinnerung der Charaktere überschlagen sich, wenngleich die Bestie auch nie ganz sichtbar war, vervollständigen sie die Wahrnehmungslücken mit alten Schauermärchen...

- Vino - 

Immer wieder glitzerten gefrorene kleine Tautröpfchen im dichten Bart von Harad, es war merklich kälter geworden. Einerseits mussten Sie alleine schon aufgrund der schroffen, schneebedeckten Gebirge viel höher reisen als noch über den hügeligen Gebieten des Imperiums. Andererseits war unter Ihnen nur Schnee und Kälte zu sehen, um Sie herum wechselten sich Sonnenstrahlen mit dichten Wolken ab. Eben jene Wolken hüllten Sie in ein schweigsames Nichts. Aufgrund der langen Verweildauer beieinander waren alle Passagiere recht still geworden, die Anspannung war mit jedem Tag gewachsen. Lediglich der Valantina Chico war, selbst für einen Tileaner, ungewöhnlich aufgekratzt und reizbar. Kilian hingegen war in einer Art Schockstarre, die Ereignisse der Hexennacht hatten ihm wohl mehr zugesetzt als er zuerst zugeben mochte. Wären da nicht sein Zittern und der gelegentliche wortlose Biss, in ein nicht mehr ganz frisches Kotelett, man hätte glauben können er wäre bewusstlos oder dergleichen. Seit der Abreise vom Gehöft und der Hexennacht waren einige Tage vergangen. Einige wenige ereignislose Zwischenhalte waren noch gefolgt, bei jedem wirkte die Umgebung dünner besiedelt als noch zuvor. 

Nessimons Begleittier, noch über den niedrigeren Gipfeln der Himmelspfeiler


Vinos Gedanken kreisten, ähnlich wie der Greifvogel Nessimons um den Ballon. Ob er diese Kälte gut aushalten würde? Das Kontemplieren wurde unterbrochen, als Harrad murrend bemerkte: “Heda, wir müssen, zwei der Sandsäcke ausleeren, sonst sinken wir zu schnell ab und sind nicht manövrierfähig genug!” Es dauerte nicht lange bis Oberon der elfische Heiler und Elvino, mit je einem Dolch die Sandsäcke an der Naht öffneten, um den Sand hinab rieseln zu lassen. Die Höhe war atemberaubend, nicht nur aufgrund der Aussicht, welche die Wolken ab und an freigaben. Vielmehr fehlte es bei jeder kleinsten Anstrengung an Luft. Klamm war die Erinnerung an den Untergrund Altdorfs und das erstickende Miasma gewesen. Der tileanische Söldner schüttelte sich. Der Sandsack, den er hielt, war schon leer gewesen, als Chico in der Ferne ein paar Gestalten erspähte. Es war schwer auszumachen, zwischen den Wolken und dem Schnee, aber offenbar waren es keine Tiere, sondern Zweibeiner. Brummend warnte der zwergische Expeditionsleiter vor den vielen Grünhäuten, die hier in den Himmelspfeilern hausten. Weiters führte er aus, dass ein Überqueren an der Oberfläche dieses gigantischen Gebirges unmöglich sei. 

Selbst in dem Ballon wirkte es wie ein äußerst wagemutiges und pionierhaftes Unternehmen. Doch es war definitiv notwendig. So versuchte der Jüngling sich selbst Mut zu machen, darüber hinaus dachte er an die Nähe zu seiner Heimat Tilea, irgendwo tief verborgen unter diesen gewaltigen Bergen lag der alte Tunnel, der das Imperium mit den tileanischen Stadtstaaten verbindet. Eigentlich muss man sagen verband, schmerzlich musste er sich in Erinnerung rufen, dass sein Landsmann Chicco ihm erzählt hatte, dass der Tunnel unpassierbar geworden war. Es blieb unklar, was genau mit der hunderte Jahre alten Verbindung vorgefallen war. Dem Vernehmen nach hatten nur wenige Vertriebene mithilfe der Gondolieri, so nannte man die Fährmänner durch den Untergrund, die Flucht ins Imperium geschafft. Vino pustete sich warme Atemluft in die klammen Finger und setzte sich schweigend zurück in den Korb, die Aussicht suchte zwar seinesgleichen, aber der Wind und die Kälte vermied man am besten, wenn man sich unten im Korb zusammenkauerte. Für einen Moment war ihm so gewesen, als würde er in der Ferne das Glitzern des Meeres erkennen, aber noch bevor er seinen tileanischen Freund von seiner Sichtung überzeugen konnte, hatte eine Wolke die Sicht wieder getrübt. Die Dämmerung brach langsam herein und Harrad kündigte an, dass die Truppe bald die ersten Außenposten des Zwergenreiches Karak’Izor erreichen würde. So hatte es der, bisweilen etwas begriffsstutzige Vino, zumindest verstanden. Beim Basston des Zwergen und dem Fahrtwind war es aber auch schwierig auf jedes Detail zu achten. 

- Oberon  - 

Die Kälte in dieser Höhe war im wahrsten Sinne Atem beraubend. Tagelang der durchgehende, Ohren betäubende, eisige Wind, raubte selbst dem schärfsten Auge nötige Weitsicht. Sich gegen den trüben Himmel kaum abzeichnende schneebedeckte Bergspitzen zogen unablässig unter und neben uns vorbei. Eine spontane Kollision drohte unvorbereitet und fatal aus jeder Richtung. Doch auch noch weiter über die Wolkendecke aufzusteigen war vermeintlich nicht ratsam, zumal Vino immer wieder im Schlaf von "De Saadhi"  einer Art "Geflügeltem Schrecken der Appucini Berge" wenn ich das richtig übersetze faselte. Vermutlich ein assoziiertes Kindermärchen, oder eine alte Söldnerlegende. Zur Abwechslung, ihren unheilvoll wissenden Blicken in den Nachhimmel nach scheinbar einer Meinung, schwiegen Harad und Nessimon nur, im Klaren was uns ebenso bevorstehen könnte.

Die sonstige gemeinsame Zeit war geprägt von wenigen Worten, uns allen fehlte es an der nötigen Energie. Lediglich das leidige alte Thema des antiken Grolls zwischen Zwergen und Elfen wurde wiederholt agitiert angesprochen, dem nur der junge Tileaner interessiert lauschen konnte, von dem der zitternde Kilian nichts mitbekam, Chico nichts verstand und ich nichts mehr hören wollte. Sollte ich meine Entscheidung Nessimon auf diese Reise mitgebracht zu haben etwa doch noch bereuen? Ich hoffte sein nur mir anvertrauter Kuckucksplan würde nicht in Aktion treten müssen und ein allseits zufriedenstellendes Ende dieser Expedition konnte gefunden werden. Harrad meinte nach wie vor als Teilnehmer dieser nun dritten Expedition mit ihm stünde uns allen gleichsam Anteil der Beute zu, somit war mein Ziel vorerst ihm ein etwaiges weniger unseren Interessen gemäßes neues Artefakt hier gänzlich überlassen zu können und dafür den Stab des Wachstums fortan in Sindelfingen verwahren und studieren zu können. Noch war ich mir nicht sicher ob Nessimon diesem Vorgehen zustimmen würde, seine Fähigkeiten entsprachen hauptsächlich der Handhabung diverser Bestien und dem Überleben in der Wildnis. Beides sich hoffentlich als unnötig erweisende Kompetenzen, betete ich im Stillen, die lautlosen Schatten über und unter uns im Nebelmeer beobachtend.

- Vino - 

Aufbruchsstimmung machte sich breit, der Greifvogel wurde von Nessimon wieder ausgesandt, als allmählich unter Ihnen eine Plattform in der Ferne auftauchte. Sie passte so gar nicht in die schroffe und verschneite Gebirgslandschaft. Zu perfekt war dieses Plateau herausgearbeitet aus dem Gestein des gewaltigen Berges. Man vermochte in der Distanz die wahre Größe zuerst nicht abzuschätzen, je näher der Ballon jedoch kam, desto gewaltiger wirkte das Bauwerk. Das Tageslicht war fast schon hinter dem Horizont verschwunden, als plötzlich ein Zischen die Geräusche des Ballons und den Fahrtwind durchbrach. Ein feuriges Geschoss flog aus einer Entfernung von gut 1000 Schritt auf das Flugobjekt zu. Winzig klein wirken die Gestalten, es mussten Zwerge sein, welche eine Art Belagerungswaffe abfeuerten. Offenbar hatten sie im Zwielicht nicht erkannt um welches unbekannte Flugobjekt es sich handelte. Das, obwohl der Ballon für zwergische Augen eindeutig als Kreation ihrer Rasse erkennbar sein musste! Harrad brummte energisch: “Das war nur ein Warnschuss, der nächste trifft bestimmt! Leuchtet den Ballon an” 

Er begann damit, so gut es ging Ausweichmanöver einzuleiten, während Vino hektisch nach seiner Zwergenlaterne griff und diese mit klammen Fingern entzündete. Während Chicco erfolglos versuchte, an den Seilen des Ballons hinauf zu klettern, um den Ballon zu erleuchten, fuchtelte Elvino mit der Laterne herum. Abermals und noch besorgter als zuvor rief der Expeditionsleiter. “Sie erkennen uns nicht, ein Treffer und wir sind Geschichte!” Vino fasste sich ein Herz und hangelte sich, mit Hilfe seines Landsmannes und Oberon, die ihn hoch hievten, auf eines der unzähligen Seile des Ballons hinauf. Die Laterne zwischen seinen Zähnen klemmte er ein Tau zwischen seinem Torso und seinem sehnigen Oberarm ein. Eines seiner Beine schlang er weiter unten um das Seil und fand mit seinem zweiten Fuß etwas Halt in einer Schlaufe. Das blaue Licht der zwergischen Laterne, welche er damals in der Bairintivault gefunden hatte, schien blass auf den dunklen Stoff der Ballonhülle welcher beinahe nicht zu erkennen war in der Abendsonne. “Lass das ja nicht Fallen, Boggar!”, rief Harrad und da flog seine Lichtkegelfokuskonstruktion schon in Richtung des wie eine Marionette herabhängenden Vinos, welcher gerade so, den Appart zu greifen vermochte. Beinahe im letzten Moment gelang es dem Tileaner das Licht zu aktivieren und ihn korrekt auf das Flugobjekt zu richten, sodass die Zwerge, nun erkennend was sich Ihnen näherte, das Feuer einstellten. Jenes Geschoß welches aber schon in der Luft war, verfehlte den Ballon und seine Passagiere nur um Haaresbreite. Ein Treffer hätte einen Sturz in den sicheren Tod bedeutet. Erleichterte Blicke wurden ausgetauscht, als der Ballon wortlos und mit tiefen Atemzügen welche die Gier nach Luft nicht vollends stillen vermochten landete. Unverständliches zwergisches Gebrumme zwischen Harrad und den kupfern gerüsteten Wachen dauerte einige Augenblicke lang an. 

Hat es hier jemals fremden Besuch gegeben?

Kurz darauf wurde das Gefährt fachmännisch oder -zwergisch, wenn man so will, verzurrt und die unverhofften Besucher in das innere des Berges geführt. Ein unscheinbares Portal war es, das die Plattform mit der zwergischen Behausung verband. Der Landeplatz war größer als die größten Exerzierplätze gewesen, die Vino kannte. Grob geschätzt waren es 500 Schritt an jeder Seite, mehr als das Tagwerk eines Bauern samt Knechten. Vino war noch nicht aus dem Staunen herausgekommen, als die Truppe, welche bis auf Kilian, dem das Gebirge wohl suspekt war, alle mit in den zwergischen Außenposten geführt wurden. Die Gänge waren gerade hoch genug, dass man sich geduckt in ihnen fortbewegen konnte. Doch bereits nach kurzer Zeit gelangten sie in eine Art steinerne Halle. Allerdings über und über verziert mit kupfernen Statuen, Wurfgeschossen und dergleichen. In der Mitte, des nun weitaus höheren Raumes, eine Tafel, deren Sitzgelegenheiten auch gleichzeitig als Projektile dienen konnten. Vino schauderte bei der Erinnerung an die Beinahetreffer zuvor. Die meisten Zwerge sprachen mit Harrad auf Khazzalid, einer unverständlichen Sprache, die aber noch tiefer und härter klang als der Expeditionsleiter es auf Reiksspiel ohnehin schon tat. Etwas bizarr für die Tileaner klang dafür einer der Zwerge der ausgezeichnet deren Muttersprache Tileanisch beherrschte, wenngleich ihm natürlich der richtige Zungenschlag fehlte, so sprach er doch fehler- und akzentfrei. Es wurde zwergisches Brot gereicht, welches weitaus besser war als jede Nahrung im Untersteg, aber dennoch hatte es einen sehr mineralischen Beigeschmack. Glücklicherweise wurde zwergisches Gebräu gereicht, soweit der Tileaner es verstanden hatte war es Grogg oder Met. Der intensive und vollmundige Wohlgeschmack vermochte den hohen Alkoholgehalt gut zu kaschieren. Dennoch war so ein kräftigendes Getränk nach einer derart zehrenden Reise ein Geschenk der Götter. 

- Oberon  - 

Erneut also ein brenzlicher Zwischenfall mit dem Ballon. Sicher und gut umsorgt in der weitläufigen, jedoch unangenehm niedrig flurigen Halle der Zwergischen "Bhufdar" Nachbarsippe von Harads "Azgaraz" Clan, die diesen herzlich und ehrenbedingt somit auch uns gastfreundlich aufnahmen kontemplierte ich im Schweigen. Wäre es nicht um Vinos rechtzeitige, waghalsige Kletterpartie, oder  er nur wenige Augenblicke lang am gefrorenen Seil abgerutscht, wir wären getroffen worden und in den Tod gestürzt. Nichts konnte ich beitragen, mein Rufhorn an der Hüfte, konnte ich ihm doch keinen Signalton entlocken, der Falke Nessimons hätte einen Brief nicht rechtzeitig überbringen können, und sämtliche meiner bisherigen Klettereinsätze waren in Versagen geendet, so wollte ich es diesmal gar nicht erst versuchen. Götter seid also bedankt um diesen mittlerweile betrunken mit einem jungen Zwerg singenden Tileaner am Tisch gegenüber und sein glückliches Händchen. 

So viel schneller und für die meisten Probleme unantastbarer wie eine Kutsche oder ein Schiff er auch war, dieser Ballon konnte ebenso eine Todesfalle sein.
Nessimon saß draußen am Rand der Plattform unter einigen Raben und schien seine eigene Frustration über die Situation und eigene Handlungsunfähigkeit ebenso in schweigender Reflexion zu suchen. Ich für meinen Teil habe beschlossen den Zwergen keinen Vorwand für Animositäten zu liefern und ihre Vorurteile noch zu bestätigen und behielt meine Gedanken für mich. 
Harrad scheint ohnehin schon mit genügend neuen Informationen von seinem, den Schutzgläsern vor den Augen nach Maschinisten Kollegen "Malakai" mit dem roten Haarkamm konfrontiert zu sein. Bis auf weiteres lausche ich nur den seltsamen zwergischen Worten dieser so genannten "Kupfernasen" und mache mir geistige Notizen ihrer Schriftzeichen auf den Wänden, Tischen und Stühlen, denn innerhalb der menschlichen Domänen ist beider schwer habhaft zu werden und die Bärtigen geben sich lieber rätselhaft und geheimnistuerisch mit ihrer Sprache. Zumindest konnte ich von der kleinen Außenposten Garnison schon mal soweit in Erfahrung bringen, dass obergrundig lebenden Zwergen als "Grenzläufern" Wahnsinn nachgesagt wird und ihre Gesellschaft polygame Tendenzen aufweist.

- Vino - 

Nachdem der Hunger und Durst gestillt waren, traten die Zwerge inklusive Harad zusammen, während alle anderen Expeditionsteilnehmer nach draußen geleitet wurden. Der tileanisch sprechende Bärtling, so nannte man jüngere Zwerge, unterhielt sich noch ein wenig mit Elvino und gab ihm eine Art Schreiben mit, welche er bei der Ankunft in Karak’Izor dem entsprechenden Klan, oder besser noch direkt dessen Bruder übergeben sollte. Unglücklicherweise hatte der Tileaner eine Neigung dazu, Zwergen die Erledigung von Aufgaben zu versprechen. Scheinbar nahmen sie diese Versprechen auch äußerst ernst. Hier war sogar die Rede von einem Blutgroll der bei einem Nichterfüllen der Aufgabe drohte. Zum Glück war es nur ein trivialer Brief, welcher übergeben werden musste. Nachdem die Besprechungen Harrads mit den Bewohnern des Außenpostens abgeschlossen waren, wurde der gesamte Trupp nach drinnen gebeten. Alle erhielten einen Schlafplatz. Dieser war zwar karg eingerichtet, doch bequemer als die in Altdorf üblichen Lagerplätze war sie allemal. Auch ob der im Vergleich zum Ballon wohligen Wärme schliefen alle fest und tief ein, ehe am nächsten Morgen, welcher viel zu früh hereinbrach, die Weiterreise angetreten werden musste. 

Man bekam innerhalb des Berges nichts mit vom Anbruch des neuen Tages doch als Sie wieder in die Kälte der Himmelspfeiler hinaus traten war das Gebirge bereits in ein sanftes Morgenrot getaucht, welches ob der schneebedeckten Berge umso beeindruckender und gleißender wirkte. Es dauerte nicht lange bis der Ballon von seinen seilernen Fesseln befreit war und die Apparatur für das Erhitzen der Luft ihr Werk vollbrachte und die stofferne Kuppel sich gen Himmel reckte und das Gefährt über die Berge empor hob. 

Der Ausblick wurde schnell von herein ziehenden Wolken getrübt und da war auch wieder die Kurzatmigkeit, welche bei der kleinsten Anstrengung dazu führte, dass man um Luft ringen musste. Sie waren noch nicht wieder ganz auf der Fahrthöhe, denn zu nah waren die Bergspitzen unter ihnen noch gewesen, als plötzlich Oberon, forsch wie immer, eine Diskussion zwischen Vino und Chicco unterbrach. Natürlich waren die zwei, typisch tileanisch, nicht gerade leise, aber immerhin ging es um ein Thema von vollkommener Unwichtigkeit. Daher war es essentiell, dass man seinen Standpunkt umso energischer vertrat. `SILENTIO!´ zischte der Elf, als er sich plötzlich duckte und ein gewaltiger Schatten den Ballon für einen Augenblick verdunkelte. 

- Oberon  - 

Noch jedoch hatte uns die fliegende Kreatur nicht richtig attackiert, streifte ihre massiven Schwingen wie Segel um sich schlagend knapp an uns vorbei und der sonst so gefährliche Nebel bot uns diesmal willkommenen Sichtschutz. Der "Rotstachel" sei noch ein junges Exemplar und versuchte unseren Bedrohungsgrad einzuschätzen eher er angriff, gab mir Nessimon in unserer Sprache zu verstehen und Unauffälligkeit war fortan das oberste Gebot. Selbst die Wärme und scheinbar Flugkraft spendende Flamme des Ballonantriebs stellte Harrad vorsichtig seinen Hebel umlegend auf eine leise Minimalstufe und die Beste schien uns tatsächlich nicht länger auszumachen. Da setzten erneut die beiden Tileaner an sich lautstark über den Sachverhalt auszutauschen und ich fuhr Vino energisch flüsternd an endlich das Maul zu halten. Ein leises "Silbernacken" auf den Lippen, sich der Gefahr bewusst, legte Nessimon den beiden Tileanern von hinten jeweils eine Hand über den Mund, denn die Flügelschläge waren nicht länger auszumachen. Das erste mal schien mir, Vino hatte "Silentio" nun nicht nur gehört, sondern auch verstanden und der Junge langfristig eine Lektion gelernt. Der Augenblick der angespannten Unsicherheit verweilte nur kurz, dann brach es über uns herein und Sichel große Krallen schnellen nach unserem Korb.

Zu keinem Zeitpunkt bekamen die Charaktere das Ungeheuer wirklich zusehen im Tumult,
doch immer wieder tauchte es auf, zwischen den Wolken.

- Vino - 

Verwirrt blickte sich eine Hälfte der Passagiere um, während Harrad schon rief, “Boggar, des isch ein Lindwurm!”. Vino schauderte bei diesem Wort, er hatte es zuletzt auf tileanisch vernommen, und es so gut es ging aus seiner Erinnerung getilgt. Nun hatte ihn seine grausame Vergangenheit eingeholt. Der Morgenstern auf seiner Wange war ein Symbol seiner Söldnerkompanie, dort war er dereinst aufgenommen und ausgebildet worden, doch viel war nicht mehr übrig in diesen Tagen von diesen käuflichen Klingen. Ein Lindwurm hatte damals sein grausames Unwesen getrieben, man stelle sich eine geflügelte Echse vor, mit Zähnen so groß wie die Arme eines Mannes. Die Hälfte seiner Kompanie war damals zerfleischt und gefressen worden, die Kreatur wurde nicht etwa in die Flucht geschlagen, es hatte sich schlichtweg satt gefressen, und war gelangweilt von dannen gezogen, während Verstümmelte, Sterbende und Traumatisierte gleichzeitig die Götter um Gnade anflehten. Vino war damals einer der ersten der von der Katastrophe erfahren hatte. So ganz konnte er das Unheil damals nicht glauben, konnte wirklich so ein Wesen existieren? Doch nun wurde der Ballon und damit auch alle seine Passagiere von genau so einem Untier angegriffen. 

- Oberon  - 

Wie ein lebensmüder Ödländer Zigeuner Matrose auf dem Boot im Untergrund, damals in Middenheim, sprang Nessimon an die Korbkante, ein Ballonseil in der einen, seinen Elfenbogen in der zweiten, wich dem vorbeizischenden Giftstachel am Schwanz des Lindwurms aus der sich unterdes weiter oben an der Ballonhülle festkrallte, machte, wie mir in meiner hinter Harrad versteckten Panik schien, einen Wunden Punkt aus und legte einen Pfeil an. Ob durch die Kälte, unbemerkte Beschädigung oder schlichtweg Unglück, die Sehne seines edlen Elfenbogens riss und stirnrunzelnd sank er zurück in den Korb. Mit beiden Händen fest den Steuerhebel des Ballons im Griff schaffte Harrad es selbst mit vollem Feuereinsatz nicht das Gefährt in der Luft zu halten. Ich band derweil den wimmernden Kilian, ich bin mir nicht sicher wieviel er von unserer Lage überhaupt mitbekam, and den Korbboden fest und bot mich, vollkommen überfordert an, Harrad bei der Stabilisation am Hebel zur Hand zu gehen und ihm die Möglichkeit mit seiner Rückenmuskete zu schießen zu geben. Erneut wichen wir dem vorschnellenden Stachel der Kreatur aus und ich hielt meinen eigenen Bogen Nessimon an die Brust. Er lehnte ihn ab, meinte nur nicht noch einen zerstören zu wollen und schwang sich, an einem der Ballonseile in die Höhe, auf das "Dach" des Ballons, um weiteren Luftverlust durch die Klauen des Wyverns zu verhindern. 

Schneller als ich auf die Situation reagieren konnte entwand mir stattdessen Chico den Bogen. Kurz schrie ich ihn in dem durcheinander an, er war jedoch fest entschlossen nicht tatenlos in den Tod zu gehen und ich gab ihm resignierend noch drei meiner Pfeile. Keinen Augenblick zu früh, denn schon wurde ich - selbst noch nicht festgebunden - von einem Ruck erfasst und von den Beinen in die Höhe geschleudert. Panisch griff ich nach allem was sich mir bot, doch schlitternte nach oben den Ballonstoff entlang in das weiße Schneegestöber des Himmels, ehe mich Nessimon zu fassen bekam und zu sich, auf das Dach des Ballons zog, unmittelbar vor die Klauen der Besie, fest in die Stoffhülle gegraben. Ich dankte kurz still den Göttern, dass die Kreatur unter kraftvollen Schwingenschlägen damit beschäftigt war uns in die Höhe zu ziehen, klemmte ein Seil zwischen Beine und Achsel und versuchte zumindest ansatzweise die Risse im Stoff mit meinem verbleibenden Wundnähzeug zu flicken, während Nessimon sich mit dem Dolch an den Krallen zu schaffen machte ehe sich bald darauf auch Vino zu uns heraufgesellte.

- Vino - 

Während er noch in einer Art Trance an die grausamen Ereignisse von vor wenigen Jahren dachte, schoss Chicco einen Pfeil auf die vermutete Position in den Wolken. Man vernahm einen Flügelschlag und es klang so, als würde das grauenvolle Getier wenden, um eine weitere Attacke zu beginnen… 

Noch ehe Elvino kontemplieren konnte, was denn gerade vor sich ging und welches Unheil ihnen allen drohte, riss Chicco den Tileaner an sich und brüllte in deren Muttersprache: “Che fai, cazzone? Spari o hai del prosciutto negli occhi?”. Umrahmt von Beleidigungen legte der eine Südländer dem anderen Nahe, er möge doch endlich schießen, trotz der Wurstprodukte vor seinen Augen. 

Vino fasste sich ein Herz und griff seinen Bogen. Ein Tau des schon lädierten Ballons in die Beuge zwischen Elle und Oberarm eingeklemmt, lehnte er sich über die Ränder des Korbes hinaus und feuerte zwei drei gezielte Pfeile auf den Lindwurm, welcher sich mittlerweile in die Ballonhülle verkrallt hatte, wie ein Kätzchen in ein Wollknäuel. Die Pfeile fanden zwar ihr Ziel doch schienen diese wenig bis keine Wirkung gegen die schuppige Panzerung des Monstrums auszurichten. Unbeeindruckt versuchte diese gigantische Kreatur den gesamten Ballon mit kräftigen Schlägen seiner Schwingen empor zu ziehen. Während aus mehreren Löchern die heiße Luft merklich entwich, und das Flugobjekt immer schneller den schroffen und schneebedeckten Gebirgszügen entgegen stürzte. 

Oberon konnte einen der größeren Risse in der Ballonhülle flicken, während Nessimon im Kampf mit dem Lindwurm seiner Waffe beraubt wurde, nicht etwas weil diese hinab fiel sondern weil der fliegende Angreifer die schlichtweg in seinen Krallen zermalmte. Mit einem einfachen Dolch trennte er mit dem Mut der Verzweiflung zwei der Krallen ab. Nachdem auch die verbliebene Handwaffe des elfischen Spähers im Gefecht auf der Ballonhülle verlustig geworden war, attackierte dieser schlichtweg mit den rasiermesserscharfen Klauen welche er zuvor erbeuten konnte. Verzweifelt versuchte die Ballonbesatzung mit vereinten Anstrengungen, einerseits das Untier, welches den Ballon zerfledderte, zu vertreiben. Andererseits war es genau der Lindwurm, der den Fall noch bremste. Beziehungsweise versuchte dieser den Ballon als Trophäe mit sich zu reißen. Erneut hing der Tileaner halb in einem Tau des Fluggefährts um einen Angriff zu wagen, als es ihm den Magen aushob. 

Das Monster hatte abgelassen von seinem Unterfangen, wohl ob der schon bedrohlich nahen Gebirgskette unter ihnen. Das letzte bisschen Auftrieb war dahin und nichts mehr verlangsamte den freien Fall, außer der zerfetzten Ballonhülle, welche schlaff hinterher flatterte. Der junge Tileaner konnte sich nicht mehr am Korb oder einem der Taue festhalten und stürzte in die Tiefe. Kein Schrei entkam seinen Lippen. Es war ein gespenstisch langer Moment, seine Gedanken bei seiner Mutter. Bald wäre all die Anstrengung und das Darben vorüber, er würde in Morrs Reich hinübergehen. Dort würde er sein Urteil erhalten und sofern der Totengott ihm gnädig war würde er seine Ruhe finden. Kurz weiteten sich seine Augen noch ein letztes Mal, als er erkannte, dass neben dem Ballon auch Oberon hinab stürzte, etwas über ihm durch die Lüfte taumelnd. 

Der Fall aus dem Ballon über den Hängen der Himmelspfeiler


FUUUUUUUMP Der Schnee verschluckte Elvino. Dunkel umhüllte ihn, nur am Punkt des Aufpralls schien die Sonne schwach durch die Schneedecke, nachdem sich die Augen an die geänderten Lichtbedingungen gewöhnt hatten. Er war einen Moment benommen und dachte zuerst, dass es nicht möglich sein konnte, dass er überhaupt noch am Leben war, doch der Schnee und die Schräge des Geländes hatten wohl den Sturz gemildert. Sein erster vorsichtiger Atemzug im Kokon aus Schnee und Eis brachte den Tileaner dann zurück ins Leben. Es war, als wäre ihm glühendes, flüssiges Metall in die Lungen geschüttet worden, und er wollte aufschreien vor nicht enden wollendem Schmerz. Doch jeder Versuch einen Laut zu bilden wurde mit grausamer Pein quittiert, wie der junge Söldner es in seinem Leben noch nicht erlebt hatte. Seine rechte Flanke musste komplett zertrümmert sein, das Atmen fiel ihm so schwer, dass er nur hecheln konnte wie ein Hund. Der Körper gierte nach mehr Luft, doch der Schmerz obsiegte und schließlich versagten ihm die Sinne und er glitt in die Bewusstlosigkeit. 

In Geschichten und Erzählungen ist oft die Rede von Tagträumen im Angesicht des bevorstehenden Todes oder Erinnerungen an das vergangene Leben, doch nichts von alledem erlebte der Tileaner. Es war, als wäre seine Existenz getilgt von dieser Welt. Vino? Vino? VINO!? Blass und einer Leiche gleichend, wurde sein Körper aus den Schneemassen befreit. Unklar, wie viel Zeit vergangen war, seit dem Absturz standen die Dinge nicht gut für den Tileaner. Für Ihn selbst fühlte es sich wie ein Albtraum an, aus welchem er nicht zu erwachen vermochte. Sein Leib war Taub geworden vom Schmerz und von der Kälte. Ein Röcheln zeugte von einer, wenn auch unzureichenden Restatmung. Immer wieder glitt er zurück in die Bewusstlosigkeit, während Oberon und alle anderen seiner Kameraden versuchten, ihm das Leben zu retten. Klamme Hände schnitten seinen Brustkorb auf, seine Lunge war kollabiert, doch von alledem bekam der Tileaner nichts mehr mit. Ein kurzes protestierendes Aufstöhnen wurde dicht gefolgt vom Verdrehen der Augen, welche davon kündeten, dass er sich wieder Morrs Reich annäherte. Die Götter wollten es hier noch nicht enden lassen, denn eine flache aber regelmäßige Atmung zeugte vom Erfolg des Eingriffs, welcher den verletzten Lungenflügel wieder aufgebläht hatte. 

Sein Oberkörper wurde notdürftig verbunden und die entstandenen Wunden provisorisch abgedeckt. Ein Blick durch die Runde verhieß wenig Grund zur Hoffnung. Alle hatten zwar überlebt, doch Oberon hatte es beinahe genauso schlimm erwischt, und bei den anderen hatte der Korb welcher den steilen Abhang hineingerutscht sein musste wohl den Großteil des Aufpralls abbekommen und die Insassen waren den Umständen entsprechend glimpflich davon gekommen. Um Sie herum war eine Wüste aus Fels, Eis und Schnee, hervor stachen nur die Wrackteile des Ballons und ein Gutteil der Ausrüstungsteile, welche teilweise zerstört, teils verloren worden waren. Was noch brauchbar war, wurde eingesammelt, und aus den Resten wurde eine Art Schlitten gebaut, mit dem Korb als Transportvehikel für den verletzten Elvino und die verbliebene Habe. Unbemerkt vom, um sein Leben ringenden, Söldnerjüngling kämpften alle anderen, vielleicht nur unterbewusst, ums Überleben. Denn es war klar, dass die Himmelspfeiler kein Ort waren, um zu Verweilen. 
Die Überreste am Gebirgshang

Harad hatte unzählige Male erwähnt, dass ein Überqueren unmöglich sei. Die einzig verbliebene Hoffnung war ein Außenposten der Zwerge von Karak’izor, welche Ihnen vielleicht zurück in die Zivilisation helfen konnten. Womöglich konnte man irgendwie den Ballon in Stand setzen? All dies schien in weiter Ferne, wie der vergangene Tag mit zwergischer Gastfreundschaft und die Berggipfel, die über dem verlorenen Trupp gehässig trohnten. Die Tortur und Anstrengung für jeden Einzelnen der Expeditionsteilnehmer war unermesslich. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass einer oder mehrere von ihnen überleben sollten, wäre klar, dass die Erinnerung an das gemeinsame Leid sie für alle Zeiten verbinden würde. 

Unklar war nur, ob Stunden oder Tage vergangen waren. Doch wenn der Tileaner aus seiner Mischung aus Erschöpfung und Bewusstlosigkeit erwachte, wurde er zurückgerissen in die Dämmerung, die gerade im Gebirge im Schatten der Gipfel früh einsetzte. Niedrige Nadelbäume und Latschen waren mittlerweile stete Begleiter der zerrütteten Gruppe, welche vor kurzem in Altdorf aufgebrochen war. Einerseits zeugte dies vom Fortschritt, denn die Vegetation wurde nur in tieferen Lagen dichter, andererseits bedeutete dies auch ein langsameres Vorankommen und in Wäldern fand sich immer auch die entsprechende Fauna. Ein Heulen in der Ferne kündigte unheilvoll an, dass in dieser Gegend neben all den anderen Gefahren, zu allem Überfluss auch noch Wölfe auf der Pirsch waren. Die Truppe im derzeitigen Zustand, im tiefen Schnee, mit blutenden Wunden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihre Fährte aufgenommen werden würde. 

Die hereinbrechende Nacht versprach nichts Gutes. Der Tross kam zu einem Halt, behelfsmäßig wurde das Lager abgesichert, ein Feuer entzündet, zumindest Holz fand sich in der Umgebung. Alle stellten sich auf eine lange und kalte Nacht ein, das Feuer würde hoffentlich etwas Wärme spenden und die Tierwelt fernhalten. Doch es hatte sich noch niemand zur Ruhe gelegt, die Reihenfolge der Nachtwache noch nicht geklärt, als man schon das erste Knurren vernahm. Die bläulichen Augen reflektierten die Flammen des Feuers, welches die ausgehungerten Wölfe nicht von ihrem Unterfangen abhalten konnte. Zu verlockend war der Duft des frischen Blutes. Die Wunden von Oberon und Vino, aber auch alle anderen hatten kleinere und größere Blessuren erlitten, sie mussten wie ein Geschenk der Götter riechen, ein verletzter Haufen Menschen würde ein Rudel über Tage und Wochen sättigen. 

Der Tileaner und der halb erfrorene Kilian verschanzten sich im, beziehungsweise auf dem seitlich liegenden Ballonkorb, während die anderen einen großen, schützenden Kreis bildeten. Mit gezogenen Waffen und Bögen harrte man der Dinge, auf den Angriff, der folgen musste. Die Anspannung war beinahe greifbar, als ein Pfeil einen der Wölfe traf. Er winselte schmerzerfüllt, wie ein getretener Hund, auf, doch nur noch entschlossener, setzte er seinen Ansturm mit einem Pfeil in der Flanke fort und stürzte sich auf den Korb. Die Speisen waren angerichtet und es war als wären die Fleischfresser dermaßen betört oder ausgehungert, dass jeglicher Selbsterhaltungstrieb hintan gestellt wurde und ohne Rücksicht auf Verluste attackiert wurde. Der Tileaner wand seine weißen Knöchel um sein treues Schwert, und saß halb aufgerichtet, und schwer atmend auf der Seite des Korbes. Plötzlich griffen mehrere Tiere zugleich an, eines durchbrach die lockeren Reihen der Verteidiger und machte einen gewaltigen Satz auf Elvino zu. Dieser konnte, geschuldet seinem desolaten Zustand, den Arm nicht rechtzeitig heben, als das Tier sich in seine Kleidung verbiss. Unerbittlich zerrte es an den Lumpen und Fetzen welche als Verbandsmaterial herhalten hatten müssen und riss dabei diese samt der frisch genähten Wunden entzwei. Abermals erstickte ihm der Schmerzensschrei im Hals, Tränen stiegen in die Augen und er rang mit allerletzten Kräften um sein Überleben. Endlich, den Göttern sei Dank, kam ihm Oberon zu Hilfe und erlegte das Tier. Hastig begutachtete er die aufgerissenen Verletzungen und rettete, was noch zu retten war. Zum Glück war das Vieh recht schnell in Taals ewige Jagdgründe eingegangen und konnte das ohnehin schon vorhandene Unheil nicht dramatisch verschlimmern. Erschöpft versteckte sich Vino neben dem apathischen Kilian, als der Trupp in der Ferne Schreie und das Licht von vereinzelten Fackeln zu vernehmen glaubte. Die zwei Verletzten versteckten sich kurzerhand unter dem Korb, welchen sie umdrehen, wie eine Käseglocke über tileanischem Formaggio. Beängstigend war der Gedanke in seinem Zustand zurückgelassen zu werden, war das ein Schrei? Hatten sich die Wölfe eine andere Futterquelle gesucht? Benommen lehnte sich der Verwundete an die Innenwand seiner temporären Zuflucht und harrte erschöpft auf die Rückkehr seiner Kameraden…

Das Wolfspack beobachtet die Gruppe bereits seit einigen Stunden

- Oberon  - 

Ich hielt mir die von Hämatomen überzogene Flanke, blieb nach dem langen Bergabziehen des Ballonkorbes kaum noch auf den Beinen, doch die Schreie in der Entfernung konnten nur bedeuten, dass noch andere Menschen oder Zwerge in dieser verlassenen, lebensfeindlichen Wildnis in Gefahr waren. Angesichts unserer eigenen Lage, ohne Vorräte, stabilem Unterschlupf und bald vermutlich auch Wärme, konnten wir nur mit letzter Anstrengung den fliehenden Wölfen nacheilen, die sich dem Anschein nach zu ihren erfolgreicheren Gefährten anschlossen.
Nessimon schien sogar mit den noch vom Blut seines Leitwolfes triefenden Lindwurmklauen knurrend zu einem Wolf aufschließend diesen davon überzeugen zu können sich ihm zu unterwerfen, als auch Harrad, Chico und ich aufschlossen entschwand der Wolf jedoch in die Nacht. Es war sicher zum besten für alle beteiligten. Schon im Kampf zuvor war sein Fachwissen welches der Tiere zuerst erschossen werden sollte wertvoll, doch konnten wir jetzt nichts riskieren und womöglich enden wie Karl mit dem Knochenkonstrukt Hühnchen.

Mit letzter Kraft erreichten wir das Schlachtfeld: Ein Trupp menschlicher Reisender, Bürger, Bauern, Frauen, einfaches Volk waren von den Wölfen überfallen und bis auf einen letzten, Fackel schwingenden Überlebenden dezimiert worden. Der Mann war von mehreren Tieren stark bedrängt und ohne Hilfe, gewiss bald bei Morr. Ich reichte meinem Elfischen Gefährten mein Schlachterbeil und ein glücklicher Schuss meines zurückverlangten Bogens erlegte einen ersten Wolf. Harad, Chico und Nessimon warfen sich schon bald ins Handgemenge um den Mann mit der Fackel. Ich konnte nur einzelne Worte in seinen Hilfeschreien ausmachen, ein eigenwilliger Tileanischer Akzent? Nein, er schien eine andere, wenn auch verwandte Sprache zu sprechen. 

Zu meinen Füßen, die leeren Augen einer Frau, in dem Schein ihrer Fackel am Boden neben ihr sah ich einen vereinzelten Wolf mich ins Auge fassen. Hinter den Gefährten zurückgeblieben um in meinem geschwächten Zustand Nahkämpfe zu meiden musste uns das Tier umkreist haben, hielt nun mit geifernd aufgerissenem Maul direkt auf mich zu. Einen letzten Pfeil noch schoss ich in seine Flanke der es kurz straucheln ließ, dann hob ich die Fackel und versuchte es zu verscheuchen. Doch Hunger und Tollwut schienen den Wolf sowohl den Schmerz, die zahlenmäßige Unterlegenheit und das Feuer ignorieren zu lassen, und anders als sämtliche seiner Artgenossen schien dieses Mistvieh zu allem Übel auch noch meinem gut gezielten Fackelschlag ausweichen zu können. 
Schreind ging ich in die Knie als sich die Zähne des ebenso am letzten Lebensfaden hängenden Wolfes  in meine Brust bohrten. 
Pulsierend spürte ich Blut und Leben abermals aus meinem Leib entweichen. Harrad und Chico konnten nur erneut machtlos über mir stehen wie Stunden zuvor schon bei Vino, als Chico diesen noch, unter wiederholtem Dementieren jedweder gleichgeschlechtlicher Neigungen auf mein Drängen durch seinen vollen Beatmungseinsatz während meinem Eingriff stabilisieren konnte. Nun hatte es mich also erwischt, und kein Heilkundiger vermutlich mehrere Tagesetappen weit. Nessimon erledigte den Wolf mit seiner Kralle ins Genick, und auch der Fremde Mann mit der Fackel gesellte sich misstrauisch doch dankbar an mein vermeintliches Sterbebett aus Schnee und Fichtennadeln. 

Wie ich später erfuhr aus dem hohlen Holzbein eines seiner sterbenden Reisegefährten, trat er nur unverständlich und außer Atem vor sich hin faselnd mit einem süßlich riechenden orangen Trank an mich heran, bevor mich endgültig Ohnmacht umfing...

Die Bisspur würde eine dauerhafte Narbe hinterlassen. So viel war mir gleich klar, als mich meine Gefährten stöhnend zu Vino und Kilian in den Rest des Ballonkorbs sinken ließen. Ich weiß nicht was mir dieser unverständliche Südländer verabreicht hatte, doch bekomme ich seither den süßlichen Geschmack tropischer Früchte nicht aus dem Verstand, und meine Finger zittern, wann immer er mein Verlangen nach Erklärung, und vor allem noch mehr davon nur mit "Kas Naranja" beantwortet. Sich selbst weist er, die Hand nach wie vor stets misstrauisch an der Axt am Gurt, immer nur als Bartholo Mechia aus. Das auch der Tileaner Chico vereinzelte seiner Worte versteht, legt den Eindruck nahe, er könnte Estalianer sein. Wie weit sind wir von unserer Rout abgedriftet!?

Mit unserem neuen Begleiter, sowie Kilian an folgendem Morgen frisch wieder aus seiner Angststarre erwacht zogen unsere noch zumindest im Ansatz beweglichen Gefährten den Korb mit dem verletzten Vino, meiner, dank Kilian und Bartholo in einer Decke zu einem warmen "Burrito" eingewickelten Wenigkeit, sowie einem Wolfskadaver als notdürftige einzige Nahrungsquelle weiter bergabwärts.
Stunden der Strapazen und Kälte steiften an meinem halb ohnmächtigen Geist vorüber und ich erwachte erst als wir an einem Wasserfall nahe einem exponierten Plateau lagerten. 

- Vino  - 

Im Korb fanden sich noch Blutspuren und daran klebendes Wolfshaar von den Angriffen der ausgehungerten Biester vom Vorabend. Vino konnte immer nur wenige Schritte durch den knirschenden Schnee stapfen, ehe er sich wieder zur Last der anderen, in den lädierten Korb hineinlegen musste und von seinen Kameraden nachgezogen wurde. Er hasste es ein Klotz am Bein zu sein, unnützer Ballast für die Expedition. Die Teilnehmer ließen sich zwar nichts anmerken, aber seine normalerweise in Kampfkraft und Erfahrung begründete herrische Art war etwas unangebracht als verwundeter Haufen Elend. Bei einer der vielen Pausen stapfte der tileanische Jüngling mit seinen Schlickschuhen durch den Schnee. Er blickte sich ängstlich um. Nicht wie gewohnt jeder Gefahr entgegen tretend sondern, bereit zum Rückzug in die, vermeintlich sichere, Mitte seiner Begleiter.

Eine Steinformation erweckte das Interesse von Elvino. In den bergigeren Regionen Tileas bezeichnete man diese Steinhaufen als Cairnund Sie dienten als Wegmarkierung oder Orientierungspunkt. Manchmal waren es aber auch, dann meistens größer gehalten, Grabstätten oder dergleichen. Er trat stumm, einige Dampfwölkchen in der Morgensonne auspustend, näher heran. Interessiert inspizierte er das Gebilde, als sein Auge auf etwas Ungewöhnliches fiel. Im Inneren der Steine war etwas verborgen worden. Es war braun, wirkte vollkommen deplatziert, könnte es eine Grabstätte sein? Der Tileaner hob gemächlich ein paar der Steine weg und stellte fest, dass das gar keine Wegmarkierung war, sondern eine Konstruktion die vermutlich irgendwann zwergischen Ursprungs war. Es waren lediglich ein paar Felsen darauf abgelegt worden vermutlich, damit man es leichter wieder finden konnte.

Darunter verbarg sich zusammengefaltet und steif gefroren eine lederne Kluft, zuerst wirkte es so. Doch als der Jüngling vorsichtig das Gebilde auseinander faltete stellte er fest, dass es wirkte wie ein übergroßes Ballkleid, einer tileanischen Signora. Es konnte auf den Boden gestellt werden wie ein rundliches Zelt und hatte auch entsprechende Verstrebungen. Doch man konnte auch mit den Armen hineinschlüpfen und wurde so quasi zum Mittelpunkt der portablen Lederbehausung. Wenn man sich bewegte war es sehr ungelenk und steif, was wohl auch an der Temperatur und mangelnden Pflege liegen mag. Aber es war wohlig warm darunter und in dem Schnee kam man ohnehin nicht schnell voran. Darüber hinaus bot es durch das Leder einen gewissen Schutz vor allen Angreifern welche in dieser Umgebung so lauerten. Wenn man sich hinhockte, war man darin verborgen wie in einer kleinen Hütte. Es gab aber auch noch weitere Riemen an der Unterseite, vermutlich um diese für den Tragekomfort an den Beinen festzumachen.

Vielleicht würde Harrad mehr darüber erzählen können. Beim Blick über den Abhang welcher unweit des Cairns den Blick auf ein darunterliegendes Tal freigab, entdeckte Elvino einen gefrorenen Leichnam. Womöglich der vormalige Besitzer dieser Lederkonstruktion? Allerdings waren dessen Überreste ohnehin unerreichbar im derzeitigen Zustand Vinos, und er wollte zu seinen Kameraden zurück kehren um Ihnen seinen neuesten Fund zu präsentieren.

Eine zerstörte Lederkonstruktion hängt in den Wipfeln

- Oberon  - 

Seine Verletzungen leichtfertig rücksichtslos vernachlässigend verteilte auch Vino sich mit den anderen rund um den Korb und kundschafteten die Baumgerippte, Felsen und Schneemassen aus. 
Während Harrad sich der letzten Reste der Ballonbefeuerungsanlage besah, kletterte Bartholo bereits an der Felswand unter uns und machte neben Nessimon einige gröhlende Kampfschreide im Tal unter uns sowie entfernte Bewegungen aus. 

Wir alle hatten in dieser Einöde nur eine Befürchtung: Orks. 

Und wir waren auch noch leicht erkennbar, wie auf dem Präsentierteller über ihnen. Scheinbar hatte der Estalianer in den Ästen am Abhang einen gefrohrenen Leichnahm entdeckt, schwer einschätzbar wie lange er schon dort war. Wie durch ein Wunder hatte Vino es in seinem, seit dem Kellertheater Umtrunk unstillbaren Schatzsucherwahn, tatsächlich geschafft im Schnee unweit einen Ledersack zu finden, der in diesem lebensfeindlichen und menschenverlassenen Hochgebirge nur zu dem einsamen Leichnahm gehören konnte. 

Wie ein beschenktes Kind am Jahrmaktstag strahle er nur so als er den Sack öffnete und eine konfuse Stangen, Schnur und Hautkonstruktion auspackte und sich das Segel, Zelt oder dergleichen unter Harrads nervös ins Tal schielenden Interprätationsversuchen prompt überstülpte.
Doch die Schicksalsgöttin schenkt nur wenn sie mit der zweiten Hand bereits zum Schlag ausholt und so sprang mein Blick vom faszinierten jungen Tileaner schlagartig hinter ihn in die Entfernung, wo sich eine riesige, weiße Gestalt aus den Bäumen schälte.

Sofort gingen wir alle in Deckung, vielleicht waren wir noch nicht entdeckt, doch der Korb stand viel zu exponiert am Hang. So wurden Stapfer im Schnee, keuchendes Grunzen und bärenartiges, tiefes Atmen immer lauter. 

Noch immer in die Decke eingewickelt gelang es mir gerade rechtzeitig aus dem Korb zu robben, da ragte schon ein Stadtmauertor hoher Schatten über mir auf und lehnte sich in den Korb.
"Troll" knurrte Harrad nur als ich um mein Leben kriechend neben ihm in seinem Versteck landete und tatsächlich, die gehörnte, von zotteligem weißen Fell bedeckte riesige Gestalt hinter mir begann bereits den Wolfskadaver im Ballonkorb wie Leinenbinden widerstandslos zu zerreißen und inhalierte das Fleisch förmlich innerhalb von Sekunden. 

Ein Eistroll lässt die Gruppe (s)ein mulmiges Gefühl im Magen erleben

Nicht nur Angst, auch die Decke lag wie eine Lähmung an mir und ich konnte nur zitternd den Elfenbogen daraus hervorziehen. Noch hatte uns die neuerliche, Bestie nicht entdeckt - ich hoff diesen Satz für die nächsten Tage das letzte mal niederschreiben zu müssen - da kam Bartholo mit aufgerissenen Augen von der Klippe her, geduckt am Korb vorbeischleichend, zu uns geeilt. Scheinbar war auch aus dem Tal mit Gefahren zu rechnen. Die Ohren des Trolls zuckten bei dem Geräusch herum und er hielt im Korb geduckt in seiner Fressorgie inne. Nessimon hilt bereits seine Krallen gezückt, Harrad sein fraglich einsatzfähiges, vom Sturz deformiertes Musketenrohr und auch Vino und Kilian starrten angespannt aus ihrem gegenüberliegenden Versteck abwechselnd von uns zum Ballonkorb. Da ergoss sich Ohren- und Nasen- betäubend eine Fontäne aus dem Troll. War es ein Angriff? Es war so ziellos, und er war noch immer nicht zu uns gerichtet. Viel mehr erinnerte es mich an die zahlreichen Speifeder Einsätze an den überfressenen Wurstfest Besuchern Heideldorfs. Der Troll hatte sich vermutlich nur übernommen oder im Schreck etwas in die Atemröhre bekommen und beachtete uns noch nicht. Bartholo gelang es sogar etwas des schmerzhaft ätzenden und stinkenden Erbrochenen in die leere "Kas" Phiole zu füllen. War er etwa eine Art Alchemiker?

Das Gegröhle aus dem Tal wurde immer lauter und wir konnten es nicht riskieren auch noch mit mehreren Gegnern gleichzeitig konfrontiert zu werden, so umkreisten meine Gefähren den gierig sein eigenes Erbrochenes aufsaugenden, hungrigen Troll von mehreren Seiten, Vino, Kilian, Bartholo und ich legten noch Bögen, Harpune und Wurfaxt an und als in der Entfernung der Spur des Trolles folgend weitere, kleinere haarige Gestalten aus dem Wald brachen schrack dieser grunzend hoch und erbrach sich abermals in einer korrosiven Fontäne um sich herum. Wir schlugen los, und die Kreatur stöhnte nur so auf als sich Krallen, Messer, Musketen, Pfeile und Wurfgeschosse in sein dichtes Fell gruben. Doch all unser überraschender Angriff war dem Monster nicht gewachsen und es brach um sich schlagend aus dem Korb aus, um Vino und Kilian in Stücke zu reissen. Ich zögerte noch wohin ich meinen nächsten Pfeil entlassen sollte, das Monster oder die herannahenden Gestallten, im aufgewirbelten Schnee schwer zu erkennen. 

Keine Orks! Allerdings auch keine Zwerge, doch ähnlich, nur größer. Zottelige wilde Männer stürzten herbei. Ich setzte auf das Glück der Ahnungslosen und schoss weiter auf den Troll, und für wahr, so sehr sie den Chaos dienenden Norse Barbaren Söldnern Marienburgs auch ähnlich sahen, sie schienen uns noch nicht zu beachten und stattdessen, wenn auch mit mäßigem Erfolg ebenso auf das Monster einzuhacken. Dieses hieb rasend um sich, aus mehr Schnitten blutend als ein Oger, Stier und Bär zusammen es überlebt hätten, es riss dem armen, Fischersmann Kilian eben diesen (Arm) aus und ein Teil seines Fetzenmantels mit den kleinen Harken selgelte davon in die Luft. Doch auch ein Troll konnte nicht endlos vielen Schlägen standhalten und ward nun umzingelt von Äxten und Klingen.
Derart bedrängt suchte der Hühne aus zahlreichen Wunden blutend und verwirrt brüllend das weite, großen Schrittes schnell uns und die Barbaren hinter sich lassend und wäre knapp in den Wald entglitten hätte ihn nich doch noch mein Pfeil in die offene Wunde am Nacken erwischt und gefällt. 
Sofort stürmten die Wilden heran und hieben der toten Kreatur  sich über und über besudelnd das haarige Haupt von den Schultern, hielten es uns triumphierend entgegen. Ein neuer Kampf? Was war mit meinen Kameraden? Nein, Mathlann war Kilian gnädig! Er hatte doch nur den Mantelärmel verloren, alles andere hätte ich auch nicht mehr zu flicken vermocht. 

Edle Wilde finden sich in den Himmelspfeilern

Krude, halb gebrüllte Gröhler drangen uns, dem sprachlichen Pathos nach freundlich entgegen, und zumindest der Zwerg vermochte sich mit ihnen zu verständigen. Hatten wir hier tatsächlich noch Verbündete gefunden? Triumphal schloss einer der drei Wilden den verwirrten, ihm am nächsten stehenden Vino in den Arm. Dagwin, Berengar, Arnulf deuteten sie zu sich selbst, in einer brachialen Sprache die jener zu Sigmars Tagen geähnelt haben muss. Ich konnte nur hoffen nicht gänzlich den Verstand verloren zu haben oder durch den Sturm in der Zeit zurück gereist zu sein. Doch auf Vinos Zeichnungen der Sternenkonstellation des Drachen in den Schnee, die wir in den Gräbern der Middenstager Teutogenkurgane fanden und auf mein altes Rufhorn deutend reagierten sie nur schulterzuckend.

Zumindest die sprache der Zwerge schienen sie, die "Adalwins" zu beherrschen, und gehießen uns mit ihnen zu kommen. Es wirkte mehr wie eine Einladung denn Drohung. Was hatten wir schon für Alternativen...

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