Freitag, 26. Mai 2023

Hinein ins Gekröse des Monstrums - Wracken 1

In Wracken verloren, ein jeder für sich selbst. Auch Sabryna wandert alleine.

- Jorge -

Die Welt schläft in klirrender Kälte und an den kargen Ufern des Talabecs regt sich kaum Leben. Jorge Nacht wickelt seinen Mantel fest um sich und starrt hinaus über das dunkle Wasser. Unweit seines schweifenden Blickes wacht Sabryna, stets aufmerksam, ihr Gesicht streng, erwartungsvoll. Sie scheint ein Ziel vor Augen zu haben, etwas kommen zu sehen; doch von Zeit zu Zeit richtet sich ihr Blick nach innen. Sind ihre Gedanken noch in Altdorf?

Abends versinkt Jorge in sein stilles Gebet, doch immer wieder wandern seine Augen zum Ufer, sehnsuchtsvoll. Wann wird das Schiff endlich wieder anlegen? Jorge hat keine Nacht ruhigen Schlafes genossen seit den abscheulichen Vorkommnissen mit der Schnutenschlange...


- Konrad  -

Ein Dieb, der bisher nur in kleineren Städten "gearbeitet" hat, betritt zum ersten Mal das Schwarzmarktviertel in der Großstadt. Seine Augen weiten sich, als er die Menge von Menschen sieht, die sich durch die engen Gassen drängen, während Händler laute Rufe ausstoßen und ihre Waren anpreisen. Der Gestank von verfaultem Obst und Fisch liegt in der Luft, und die Stickigkeit des Ortes machte ihm zu schaffen. Trotzdem fühlt er sich aufgeregt und nervös, als er sich durch die Menschenmenge drängt, seine Sinne auf alles gerichtet, was ihn interessieren könnte. Der Dieb weiß, dass er hier viele neue Möglichkeiten für seine kriminellen Aktivitäten finden würde.

Ein Freund des Rattenfängers Syfryd führt Konrad und Hantsch, ein Küster den Konrad noch nicht gut kannte, durch den Schwarzmarkt in der Hauptstadt. Hantsch wirkt wie ein gläubiger und vor allem gutgläubiger Bürger des Reiches. Dort gibt Konrad die Drogen, die er von der Banda der Huydermans erhalten hatte, an eine Verkäuferin von diversen Tränken, deren genaue Wirkung fürs erste unbekannt bleibt. Konrad entdeckt dabei den Laden aufgrund seiner scharfen Augen und seiner Fähigkeit des Gassenwissens. Danach genießen sie günstiges und köstliches Shawarma.

Anschließend besuchen sie den Händler Farah aus den fernen Südlanden. Konrad verhandelt natürlich wie ein Profi. Er will auch nur Dietriche und einen weißen Spitzenhelm, der zuvor wohl den Söhnen Sigmars gehörte. Konrad pokert hoch und bekommt die Gegenstände günstiger, ohne dass unangebrachte Handlungen stattfanden. Mit seiner Geschäftstüchtigkeit gelingt es ihm, einen guten Preis zu erzielen, aber er pokert hoch und Farah und Konrad kommen überein sich gegenseitig den kleinen Zehen zu lutschen. Dabei muss sich bloß Farah übergeben und Konrad kann sich seinen Gewinn einstecken. Ein Dieb wie er muss sich natürlich nicht rechtfertigen, doch er betont, dass er ein erfahrener Geschäftsmann sei und solche Deals nicht ohne Grund eingehe.

Konrad grübelt nur kurz bevor er seinen Zehen entblößt

Die Gruppe setzt ihre Reise fort zum Hafen, wo ihr nächster großer Auftrag bevorsteht. Am Hafen treffen sie auf Hantsch, Syfryd und Jorge, einen friedliebenden und gar gewaltbefreiten Mann. Syfryd führte sie zu Sabryna, der Leiterin ihrer Expedition. Sie ist eine bildhübsche, adlige Frau mit einem strengen und autoritären Auftreten. Mit ihrer kommandierenden Art schüchtert sie jeden ein. Konrad weiß, wann eine Frau versucht mit Strenge ihre Schönheit zu verschleiern, doch seine Gedanken sind natürlich bei Thorba. Die Expeditionsleiterin Sabryna enthüllt jedoch nicht den genauen Inhalt der Queste, nicht einmal Syfryd, den sie von früheren Abenteuern zu kennen scheint, und der zumindest das grobe Ziel der Reise kennt, will sie darüber vorerst genauer unterrichten. Der Aufbruch ist hastig doch geordnet. Ihre Reise führt sie flussaufwärts entlang des Talabecs. Konrad gelingt es bereits am ersten Tag der Reise die Aussicht zu genießen, an Board, mit Sabryna anwesend. Und die Landschaft ist auch schön.

Beim ersten Halt hören sie Gerüchte von einer gefährlichen Kreatur, einer "Schnutenschlange", die Menschen im Wald an den Ufern der Schnute zerquetscht. Die Abenteurergruppe übernachtet in einer einfachen Gaststube, der Krähe, um sich vor den Vollmonden zu schützen. Ausgerechnet an diesem Tag findet Konrad, Ranald sei es gedankt, ein Silberstück und noch mehr. Die Gruppe hält sich zurück bei ihrem Aufenthalt. Niemand kümmert sich um die Geschäfte anderer an so einem Abend. Es ist Hexennacht und zusammengefercht in einem Zimmer ist der Schlaf der Gruppe bestimmt von Albträumen. Konrad fragt sich was seine Gefährten sehen mögen, wenn sie wieder im Schlaf zu weinen und stöhnen beginnen. Vielleicht sind sie im Traum bei ihren Frauen zuhause? 

Die Träume der Gruppe bleiben nicht von der Schnutenschlange verschont

Am nächsten morgen das Erwachen. Konrad hört bereits das schreien der Krähe aus dem Untergeschoß. Ein Bretonischer Wache wirft sich besorgt gegen die Tür seines Herren bis wir ihm helfen sie zu öffnen. Während ihres Aufenthalts in der Gaststube wurden drei Menschen auf grausame Weise... zerquetscht, ähnlich wie die Opfer, gefunden an den Ufern der Schnute. Jedoch war es keine Schlange, sondern eine riesige Bärenfalle, die das gesamte Bett mit den drei Personen zerquetschte. Es könnte auch das Bett selbst eine Falle sein. Es stellt sich jedoch bald heraus, dass der Gastwirt wahrscheinlich der Übeltäter war, denn dieser war mit den Schätzen des Bretonen geflüchtet. Mit der Befürchtung die Wegwache würde bald eintreffen und die Reise der Gruppe nur weiter aufhalten, aus irgendeinem Grund hat es Sabryna nämlich recht eilig, setzen die Flussfahrer ihre Reise schleunigst mit dem Schnellboot fort. Konrad wird sich immer an dieses Bett, an diese Nacht und an den Kolkraben erinnern, den er dort zurückgelassen hat.


- Jorge -

Jorge belauscht die Umgebung
Er vermisst die Annehmlichkeiten einer einfachen Gaststube – ein Bett, eine Kammer, eine anständige warme Mahlzeit… doch noch viel mehr als dies vermisst er die Wärme wahrer Kameradschaft – Elsie Stadler und die gute Minta (und den verbotenen Absinth, den sie gerne hervorzauberte). Wie kurios, dass jemand der Einsamkeit so lange zufrieden um sich scharrte sich so schnell an knospende Freundschaft klammern kann.

Jorge seufzt tief, und richtet seinen Blick auf seine gegenwärtigen Gefährten. Hantsch, Syfryd und Konrad sind in ein Gespräch über die Söhne Sigmars vertieft. Mit der Gewissheit, nichts Erhellendes dazu beitragen zu können, versucht Jorge sich—leider erfolglos—am Angeln. Ernüchtert steckt er sich den Köder, einen winzigen reizlosen Fisch, in den Mund. Sein Magen kann es sich gegenwärtig nicht leisten, wählerisch zu sein.

Jede Bewegung im dunklen Wasser lässt ihn an die Schnutenschlange denken. Zu gerne würde er das Untier aus seinem Kopf verbannen. Zum Glück findet sich bald Ablenkung: Ein Hafen erscheint am Ufer des Flusses, und das Schiff legt endlich an.

Während Jorges Gefährten ausschwirren, wandert er langsam in das Dorf Küsel hinein. Im Zentrum befindet sich eine Mühle, umgeben von einem Kornspeicher, Geschäften, Händlern und Stallungen. Der unverkennbare Duft von Käse steigt ihm in die Nase, und sein Gemüt erhellt sich unverzüglich. Den Geruch verfolgend gelangt er an ein Lager, das erst vor kurzem verlassen worden zu sein scheint. Die Erde ist von frischen Hufspuren aufgewühlt. Um ein Feuer reihen sich Pritschen und auf einer sitzt ein Mann, die Mütze ins Gesicht gezogen, fast schüchtern wirkend, ein Stück Pergament in der Hand. Jorge lässt sich nicht unweit von ihm ins Stroh fallen und schließt die Augen. Der Mann beginnt jemandem zuzuflüstern. Jorge kommen nur einige wenige Fragmente zu Ohr. 

Morgen früh, wenn alles gut geht

Wirf ein Auge auf sie ...

Zwei, drei werden wir zusammentrommeln ...

Er soll nicht denken, dass er keine Unterstützung hat ...

... war meinem Vater sehr entgegenkommend ...

Vergessen wir nicht, welche Taten uns heute hier stehen lassen ...

Und, zum Abschied: Beständigkeit.

Jorge spürt Blicke über sich gleiten, doch scheinen die Männer anzunehmen er schlafe. Er wartet einige Augenblicke, bis er die Augen öffnet.


- Konrad -

Im nächsten Dorf, Küsel, erfahren Konrad Hantsch und Syfryd von einen Jungen, der von einem Trauma überwältigt scheint. Sie versuchen, leider vergeblich, seinen Geist mit Hilfe der örtlichen Ulricspriester zurecht zu rücken. So verlassen sie die Katakomben. angeblich hat eine Gruppe erst vor wenigen Tagen die Stadt Richtung Wracken verlassen. Ein Schiffsfriedhof in den Auen, heißt es. Am Küsler Hafen bemerkt Konrad, dass sie beobachtet werden. Er teilte dies Sabryna mit, und sie befiehlt Konrad, den Verfolger zu verfolgen und herauszufinden, was er aufgeschrieben hatte.

Unbemerkt folgt Konrad dem Mann bis zu seiner Kutsche, nahe einer überdachten Lagerstätte am Rande des Dorfes, und entwendet ihm unbemerkt sein Notizbuch, hoffentlich dasjenige, in dem er alles aufgezeichnet hatte. Anschließend kehrt Konrad zurück zu Sabryna - er trifft sie allein in ihrem Zimmer auf dem Schiff. Dort stellen sie fest, dass der Mann sie schon länger verfolgt und die letzten Seiten aus dem Notizbuch herausgerissen worden waren, was vermutlich wichtige Informationen enthielt.


- Jorge -

Alsbald beginnt Jorge ein Gespräch mit dem Mann (nun wieder einsam), der sich als sehr freundlich erweist, freizügig seinen (äußerst aromatischen) Käse mit Jorge teilt, und ihm von seinem Vorhaben berichtet. Er wolle sich seinen Leuten anschließen; Rekruten der Tiefen Wache, die in Wracken nach dem Rechten sehen sollen. Das Imperium brauche Beständigkeit, erläutert er, und in Wracken würden Nägel mit Köpfen gemacht—dort erhalte man eine fundierte Ausbildung, um dem Chaos Widerstand zu leisten. Um nicht wie ein Tier in den Schlachten des Imperiums geopfert zu werden. Ein kalter Schauer läuft Jorge bei diesen Worten über den Rücken. Die letzten Erinnerungen an seine Heimat, das Middengebirge, rauschen in schaurigen Bildern an seinem inneren Auge vorbei.

Der junge Mann bemerkt nichts von Jorges gefühlstiefem Tumult. Er steckt seinen Brief weg, und schüttelt Jorge kameradschaftlich die Hand. Dann verabschiedet er sich mit „Beständigkeit!“ und macht sich auf Richtung Hafen.

Jorge verlässt den Platz am Feuer und wandert unruhig im Dorf umher. Einer seltsamen Eingebung folgend erwirbt er von einem begabten Handwerker ein mobiles Lararium—einen kunstvoll gefertigten kleinen Hausaltar. Er unterhält sich mit dem Mann über die alten Schnutenschlangen-Sagen, und deren Widersprüchlichkeiten. Das Untier scheint seit Jahrhunderten als Feind und dunkles Omen, aber auch als Schutzgeist aufzutauchen.

Frischen Mutes (mit seinem neuen Ahnenschrein im Gepäck) bricht auch Jorge Richtung Hafen auf, um nach seinen Gefährten Ausschau zu halten, die ihm merkwürdigerweise auf seinem Streifzug durch das Dorf nicht ein einziges Mal über den Weg gelaufen sind. Am Hafen angekommen dämmert ihm der Grund dafür, und schließt sich wie eine kalte Hand um sein Herz. Das Schiff… hat abgelegt, und entschwindet den Talabec hinauf. Aus weiter Entfernung sieht Jorge Hantsch in Lederrüstung an der Reling; grimmig gestikuliert er, Syfryd und Konrad daneben, dann verschwimmen ihre Gestalten in der Ferne.

Verdattert starrt Jorge ihnen hinterher, dann blickt er sich verzweifelt um. Zwei junge Frauen, schwer bewaffnet mit Putzutensilien, sind damit beschäftigt etwas von der Hafenmauer zu schrubben. Er läuft zu ihnen und fragt sie nach dem Grund dafür, warum sein Schiff den Hafen verlassen hat; sie zucken mit den Schultern und eine antwortet: „Die wollen nach Wracken.“ Trüb gefärbtes Putzwasser läuft herab von einem großen, durch ihre Bemühungen halb zerstörten Symbol: Blaue und weiße Kreise in Kreisen. Was hat seine Gefährten dazu bewogen so hastig aufzubrechen, dass sie nicht einmal Zeit fanden ihm eine Nachricht zu hinterlassen?

Verstört hastet Jorge zurück zum Lager. Er beobachtet, wie sich die Tore des nebenan gelegenen Ulric-Tempels öffnen. Ein Trupp verlässt den heiligen Ort, stilisierte Wolfsköpfe auf der Brust, und hinter ihnen wacht der Priester im Eingang, sein Gesicht verzogen in Sorge und Unmut. Nach einer kurzen Begrüßung gewährt er Jorge jedoch freizügig eine Segnung und drück ihm seine kalkverschmierte Hand auf die nackte Brust. Jorge spürt sofort, wie sich seine Muskeln spannen und sein Blick sich schärft, und das unmissverständliche Wohlwollen seines Gottes beruhigt sein Gemüt. Ein Becher kräftigen dunklen Schnapses, großzügig vom Priester spendiert, trägt ebenso dazu bei.

Der Priester beschwert sich heftig über den Verlust der jungen Männer des Dorfes, die sich in Scharen nach Wracken aufmachen; er willigt jedoch ein, beim Rekruter ein gutes Wort für Jorge einzulegen. Schon am folgenden Tag soll es einen Platz auf einem Schiff für ihn geben.

Mit gemischten Gefühlen begibt sich Jorge auf eine Pritsche des Lagers und verbringt eine friedlose Nacht, durchzogen von den Geräuschen unruhiger Schläfer und eines flatulenten Wolfshundes, dessen Winde selbst den Geruch des scharfen bretonischen Käses in Jorges Tasche überwältigen.

 

- Konrad  -

Das Abenteuer führt sie weiter nach Wracken, einer Sumpfgegend, in der sich Chaos-Barbaren alle 10 Jahre einen Angriff erlauben. Inmitten des Imperiums ist ihre Reise hierher sicher nicht einfach, denkt sich der Dieb, der nicht allzu viel von Schiffsfahrt wissen will, als sie tiefer in den Sumpf, näher an das gewaltige Holzkonstrukt "Wracken" eindringen.

Der Landungsort im vereisten Wracken
An einer Landungsstelle angekommen gerät die Gruppe in einen Hinterhalt. Konrad und seine Kumpanen werden Opfer eines erbitterten Kampfes mit den Barbaren:

Sie hatten sich an den Ufern nur kurz unterhalten können. Schaffners Bedenken, dass irgendwas an der Geschichte des Tiefenwächters, der sie hier her geführt hat, Sabrynas Einwand und ihr Verdacht er sei ein Chaossympatisant, das plötzliche Versinken seines Bootes, das aufkommende Säuseln des Windes, die Angst in Konrads Eingeweiden, der Takt der Trommeln, die Schreie der Barbaren - sie alle wurden plötzlich der Hektik und der Überlebensangst geopfert.

Konrad erinnert sich an die Überfälle im Nordland als er während der Schlacht verzweifelt versucht eine Fluchtroute für die Gruppe, hinein in das Gewirr Wrackens zu finden. Er saust wie der Wind der durch die Ritzen Wrackens dringt in einen möglichen Fluchtweg, den er attraktiv findet, doch darin warten nur zwei Marodeure der Barbaren, als hätten sie bereits die Gruppe erwartet, hier durch zu fliehen. Konrad gleitet zurück zu der bedrängten Gruppe um Sabryna. Die Barbaren, von allen Seiten gleichzeitig über die Trummerhaufen über die Gruppe hereinfallend werden immer wieder von Schüben der Angst festgenagelt. Vor allem Sabryna scheint ihnen Respekt abzuverlangen und begibt sich in ein Wortduell mit einem entblößten Barbaren, der hoch über der Landungsstelle die Hand erhoben zum Angriff auf uns ruft. Die dunkle Sprache der Barbaren begegnet ihr höhnend. Hantsch streckt Seite an Seite mit Viktor einen ausgehungerten Barbaren nieder, doch der junge Adelige schreit auf als ihn ein Beil eines weiteren Norsis am Kopf trifft. Syfryd beteiligt sich kaum am Kampf und erst in letzter Minute beginnt er sich aus dem Bann der Furcht zu befreien. Die Gewissheit an diesem Ort zu sterben treibt Konrad jedoch zu Höchstleistungen als er sich wie ein Akrobat zwischen den schattigen Brettern Wrackens bewegt. Leider verlieren sie die Schlacht mit fortschreitender Dauer, und die Gruppe wird zerschlagen. Als der Bann der Furcht über den Barbaren bricht. Jeder tritt für sich die Flucht an - das Chaos gewinnt - und Konrad schaffte es nur noch, nicht gefangen genommen zu werden. Die Trommelschläge verfolgen ihn noch tief in die Dunkelheit unter den modrigen Planken der alten Schiffsleichen.

Der Aufwiegler der Barbaren

- Jorge -

In den frühesten Stunden des nächsten Tages wird Jorge von einem Tiefen-Wächter mit einem winzigen Boot nach Wracken gebracht, welches in solch schlechtem Zustand ist, dass er ständig Wasser hinausschöpfen muss. Der Mann warnt ihn, dass er in Wracken womöglich Dinge sehen wird, die längst der Vergangenheit angehören. Jorge kann sich weder aus der seltsamen Überfahrt noch den Worten des Mannes einen Reim machen, und die kalte Hand um sein Herz lässt nicht locker; sie drückt umso stärker zu, als sie sich Wracken nähern. Der Wasserweg ist schwierig. Boote ragen wie spröde Zahnstocher aus dem Moor, die sich schwer umschiffen lassen. Der Wall um Wracken gleicht einer Reihe verwitterter Zähne und scheint Jorge Drohung und dunkles Vorzeichen zugleich. Die Einfahrt wirkt wie ein hungriger Schlund, und der marode Landungshafen erweist sich sogleich als offensichtlicher Kriegsschauplatz: ein Landungsboot mit Kampfspuren zwischen zerfetzten Schiffsskeletten, von Katapulten durchlöcherte Ruinen die ausgefranst hoch in den Himmel ragen. Der Flößer schiebt sich hastig und wortlos zurück ins Moor, den ängstlichen Blick nach oben gerichtet als er wegrudert.

Morsche, geborstene Schiffe liegen übereinandergestapelt und waghalsige Wege führen an ihnen in die Höhe. Der missgestaltete Palisadenwall Wrackens geht über in ein chaotisches Labyrinth voller aufgerissener Türen, mit Blutspuren befleckt. Jorge erkennt ein Symbol, fast dreimal so hoch wie er selbst, schwungvoll auf die Bretter gemalt mit riesigem Pinsel. Kreise in Kreisen, wie auf der Hafenmauer in Küse. Hier ist es deutlicher – Jorge glaubt, eine Kuppel zu erkennen, ein Auge, einen Wirbelsturm. Die Farbe ist dick und klebrig, rot-braun. Ein Anstrich aus dunklem Blut.

Plötzlich ertönen Trommelschläge, und eine Gestalt erscheint auf der Palisade mit lederner Hose, kurzem blondem Haar und Bart, einer Axt in der Hand und dem Zeichen des Chaos auf der nackten Brust – Jorge zählt eins und eins zusammen und nimmt die Beine in die Hand.

Sogleich nehmen zwei Männer die Verfolgung auf – bleich und unausgeschlafen, mit hungrigem Blick und scheppernden Waffen. Viele Wege führen in das chaotische Netz Wrackens. Jorge schlüpft durch einen unauffälligen Durchgang in einer kürzlich umgerissenen Palisadenwand, erklimmt von dort die Palisade und wirft sich darüber, um in die Dunkelheit auf der anderen Seite zu rutschen. Immer weiter klettert er wie eine dicke Spinne in die Bäuche der Schiffe, sein Rücken klebrig mit kaltem Schweiß, seine Verfolger dicht auf den Fersen. Als er glaubt, nicht bemerkt zu werden, versucht er um sie herumzuschleichen, doch das Gehör der Barbaren scheint scharf; er wird entdeckt und angegriffen, und trotz seiner verzweifelten Ausweichmanöver zieht er sich einen heftigen Schlag mit einer Axt ein, die ihm tief in die Schulter beisst.

Die Barbaren sind ausgemergelte kampfhungrige Gestalten

Wut und Schrecken lassen ihn mit unglaublicher Schnelle vor seinen Angreifern fliehen, doch die morschen Planken haben andere Ideen; verdrossen vom Gewicht der drei Männer brechen sie ein, und sie alle stürzen in die Tiefe.


- Konrad -

Konrad vermutet dass nicht
nur er alleine ist.
 Auch Sarbyna, vermutlich
Konrad, von der Dunkelheit des Sumpfes umgeben, flüchtet immer tiefer in den Untergrund. Der Sumpf ist ein Labyrinth aus havarierten Schiffen, die von den Wikingern zu einem verworrenen Netzwerk von Tunneln zusammengefügt wurden. Konrad rennt unermüdlich weiter, während er sich durch die feuchten und dunklen Gänge vorarbeitet.

Schließlich gelangt er zu einer Kreuzung mit drei Wegen. Links führt ein Pfad noch tiefer in den Sumpf, rechts entdeckt er eine Leiter, die nach oben führt, und geradeaus erhebt sich ein imposantes Tor. Konrad entscheidet sich für den geraden Weg und lauscht an der Tür. Zu seinem Schrecken hört er das Gedränge von Stimmen. Es sind die Wachen der Seebarbaren, die Gefangene bewachen.

Konrad wagt einen riskanten Blick durch einen Spalt im Tor, in der Hoffnung, einen seiner Gefährten zu erblicken. Doch er kann niemanden Bekannten ausmachen. Doch plötzlich spürt er, dass die Blicke der Barbaren auf ihm ruhen. Er zieht sich schnell zurück und sucht nach einem Versteck, während sein Herz wild pocht. Die Norsi können ihn nicht sehen und kehren zu ihren Wachposten zurück.

Konrad fasst einen Entschluss und steigt die Leiter nach oben, um die kalte Oberfläche zu erreichen. Geschickt bewegt er sich im Schutz der Dunkelheit und begibt sich auf die Suche nach seinen Kameraden. Aus der Dunkelheit erblickt Konrad Herrn Schaffner, einen Gefährten vom Schiff, der von einem starken Wikinger gefesselt und auf einer Mauer entlang zu einem Verlies gebracht wird.

Konrad verbirgt sich geschickt auf der Mauer und schafft es, dass Herr Schaffner ihn bemerkt, ohne dass der Barbar etwas davon mitbekommt. Sie verstehen sich ohne Worte und Konrad beginnt schnell, einen Plan zu schmieden, um Herrn Schaffner zu befreien.

Auch die Oberfläche Wrackens ist chaotisch und gefährlich

- Jorge -

Schwer angeschlagen marschiert Jorge durch die tiefsten Eingeweide Wrackens. Auf den Planken über ihm wandern Barbaren auf und ab. Zwischen zwei Engstellen im unterirdischen Labyrinth versinken seine Füße im Schlick; ein scharfer, äußerst unangenehmer Geruch steigt ihm in seine empfindliche Nase. Durch eine Luke weit über ihm taucht auf einmal das Antlitz des Mondes auf — schnell jedoch wird dieses verdunkelt von einem Barbaren-Hinterteil. Jorge war anscheinend kurz davor, unter einem gewissen Örtchen durchzulaufen. Er versucht wegzuschleichen, doch als er sich noch einmal umdreht blickt ihn ein erschrockenes Gesicht durch die Klobrille an.

Kein "guter Junge",
der Norsi Jagdhund
Er hastet hinauf durch einen umgedrehten Schiffsbauch, in dessen Seite eingeschlagene Bretter eine
Treppe bilden. Sie scheint nicht oft benutzt, als wäre sie schon vor längerem aufgegeben worden. Oben angekommen stolpert Jorge in ein Lager voller zerwühlter Schlafstellen. Auf der anderen Seite des Raumes befindet sich ein Tor; die kreisrunde Öffnung ein ausgebranntes Loch mit frischen Kampfspuren. In der Mitte des Lagers bewegt sich etwas; ein Hund schnüffelt an den Schlafstätten. Er beginnt, in die Decken und Kissen zu beißen. Bei näherer Betrachtung erweist sich das Tier als äußerst befremdlich. Durch sein rotes Fell blitzt Haut hindurch die schuppig wirkt und seine Ohren gleichen Fledermausflügeln, seine lange Zunge ist die eines Reptils. Es muss sich um einen Spürhund der Barbaren handeln. Fieberhaft überlegt Jorge, wie er an unbemerkt an diesem Untier vorbeischleichen soll, da verbeißt sich das Scheusal in etwas, das verdächtig wie ein Bein aussieht. Die zusammengekauerte Gestalt, zu der es gehört (und die sehr unbarbarisch wirkt), schreit auf, zieht eine Klinge, und beginnt wild auf die Bestie einzuschlagen.

Mit Grauen beobachtet Jorge, wie ein wilder Kampf entflammt.


- Hantsch -

Die dunklen Pfade scheinen sich in die Länge zu ziehen als erstreckten sie sich bis in Morrs Garten. Im laufen verschwimmen die ohnehin gebrochenen Konturen. Abgebrochene Planken geben vor sich zu bewegen, der Gang sich weiter zu strecken und sich zusammen zu ziehen. Und doch versucht Hantsch weiter diese endlosen sich windenden Hallen entlang zu entkommen. Was auch immer in der vermaledeiten Dunkelheit vor ihm liegen mag ist nicht so konkret wie was hinter ihm sich mit Fackelschein und festem Tritt nähert. Kreise in Kreisen. Hantsch prescht weiter vorwärts, ungeachtet aller Proteste von Körper und Geist. Weiter in die Eingeweide von Wracken, doch ist er ohne Ziel und Vernunft, nur blanke Panik treibt ihn voran. Und mit verwirrtem Geiste entwirren sich die Gänge vor ihm nicht, nein, vielmehr verstrickt er sich in ihnen, kann die Distanz zum Grauen in seinem Rücken nicht vergrößern. Kreise in Kreisen. Sie kommen näher. Näher. Näher. Schon wieder ein sich in die Länge ziehender Gang. Keine Ausfluchten mehr zur Seite und hinter ihm im Gang diejenigen die ihn nun einzuholen drohen. Der Gang vor ihm… lang scheint er sich zu ziehen, die schützende nächste Biegung nicht näher kommen wollend. Und hinter ihm, ja, die Eingeweide sind auf der Seite der Barbaren. Als würde der schon zurückgelegte weg sich immer mehr verringern. Ja der Gang sich hinter ihm verkürzen. Und da sind sie nah genug. Eine Bola schwirrt durch die Luft und schlingt sich in immer enger werdenden Kreisen um die Beine Hantschs. Kreise in Kreisen in Kreisen. Und mit einem dumpfen Krachen geht er zu Boden.

Von den beiden Barbaren mit Pranken wie von dunklem Eisen wird er nun geschleift. Weiter durch die dunklen Gänge und Hallen die sich nun bereitwillig zu einem Weg für die erfolgreichen Häscher entwirren, doch weiter ihre Klauen nach Hantsch ausstrecken, als wolle der Tunnel selbst – mit Hilfe der beiden Barbaren – schon beginnen ihn zu verdauen, langsam, ganz langsam, ihn in den Kreislauf dieses Monstrum einverleiben, ihn aufreiben und verschlingen.

Doch der Schlund bewahrt. Der Geist Hantschs zieht sich zurück und wartet. Wartet auf eine Gelegenheit. Eine Gelegenheit loszuschlagen, wie ein Berg der in einem plötzlichen Bergrutsch alles unter sich begräbt. Und als man ihn auf den Richtblock legt und sich die Blicke der Barbaren mehr auf die Rasiermesserscharfe Richtaxt konzentrieren scheint sie gekommen. Die gepanzerte Faust unter dem Fuß eines Barbaren hervor gerissen gleitet die Klinge daran durch das Fleisch des Barbaren. Der Schlund verleiht ihm Kraft und die Fesseln der Bola fallen in Stücken zu Boden und ein Kampf entbrennt. Doch der Felssturz kann die Barbaren nicht hinfort reißen, Schläge prasseln auf ihn ein und die Welt wird schwarz um ihn.

Das Erwachen Hantschs: Viktor hängt in Ketten
inmitten der Pfahllandschaft Wrackens.
Er ist in einem wahnhaften Trancezustand.
Doch zumindest sind sie vereint.



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