Freitag, 17. Mai 2024

Ritorno nel quartiere

Elvino und Giuseppe, der Cane Corso in Christians Büro, nach all den Ereignissen der Nacht

Lange war nicht Zeit geblieben um sich von den Strapazen der Himmelspfeiler und der aufsehenerregenden Rückreise mit dem Chuggar zu erholen. Denn da war immer noch der alte, und doch veränderte, Moloch des Unterstegs der Vinos Gefährten und ihn selbst  einwickelte wie eine Spinne, die Ihre Beute mit einem Faden ummantelt und erst dann verzehrt wenn es nötig ist. So kam es, dass die lose Ansammlung von Gefährten, Freunden und alten Bekannten sich schnell wieder in alle Winde zerstreute. Oberon hatte er nur sporadisch gesehen seit der Rückkehr und auch alle anderen waren wohl sehr beschäftigt, kein Wunder bei all dem Zirkus der rundherum geschah.

Soweit Vino es mitbekommen hatte es während seiner Abwesenheit einen Aufruhr in der Stadt gegeben, die Söhne Sigmars eine Gruppe an Sigmariten, hatte das Handels- und Adelsviertel vor Schlimmerem bewahrt und aufgrund dessen, und weil die Stadtwache noch ausgedünnter war als Sie es schon zu Zeiten der Brüte war, hatte man Ihnen ein paar hoheitliche Aufgaben übertragen. Im Untersteg ließen sich die, zuweil etwas unwirsch agierenden, Anhänger des Sigmarkults selten blicken.


Man hätte den Eindruck gewinnen können im Untersteg wäre alles beim Alten geblieben: Gantner hätte, mit Hilfe seiner Schlägertruppe den Bautrupplern, die Kontrolle im Drecksack während Bürgermeister Christian Kufner über den weitaus nobleren Teil des Unterstegs, nämlich den Gulli, regierte. Nobel, sofern man irgendetwas im Armenviertel Altdorfs so bezeichnen konnte, war in dieser Gegend jedoch fast ein Zeichen der Schwäche. Bei einem genaueren Blick hinter die Kulissen des endlosen Ringens um Macht und Kontrolle im Untersteg musste man feststellen, dass das Kellertheater als Hauptquartier Christians zwar eine Bastion war und ein Hort der Sicherheit für alle tileanischen und andere Neuankömmlinge. Doch viele Menschen erforderten einerseits auch viel Kontrolle und andererseits galt es, unzählige hungrige Mäuler zu stopfen. Vino konnte sich nicht beschweren, er hatte an seinem Krankenbett aber auch danach immer etwas zwischen die Zähne bekommen, zum Teil sogar tileanische Spezialitäten, doch ob es dem durchschnittlichen Unterstegler so gut erging war fraglich. 

Lebensträume die nicht in Erfüllung gehen werden sind im Untersteg die Regel.

Der Zustrom an Neulingen und das Fehlen vieler Führungspersönlichkeiten wie Karl, Oberon, Syfried, Konrad und anderer wichtiger Leute in Christians Diensten machte sich bemerkbar. Für Gantners Baggage mussten die vielen Leute im Gulli wirken wie eine aufgescheuchte Herde Schafe mit zu wenigen Hirten. Ein Leichtes hier, ein verirrtes Schäfchen zu reißen oder vielleicht gar ganz die Kontrolle zu gewinnen. 

So kam es, dass Vino nach seiner Genesung und dem Verschwinden seines besten Freundes Oberon hauptsächlich damit beschäftigt war, verschiedene Wachdienste zu leisten, auch wegen zunehmender Übergriffe aus dem Drecksack. In seiner Freizeit befand er sich häufig auch in den unteren Ebenen des Kellertheaters. Dort hatte er immerhin vor seiner Abreise in die Himmelspfeiler den Zugang zu einem verborgenen, beziehungsweise verschütteten Raum gefunden, welchen er nun von Palladios Bühnenarbeitern freischaufeln ließ. Historiker war der junge Söldner aus dem Süden beileibe keiner, doch selbst für Ihn war klar, dass es sich um eine uralte Stätte handeln musste, welche hier die Äonen überdauert hatte. Betrat man die freigelegten Räume, so wurde man sogleich erfasst vom Geiste vergangener Zeiten. Es war wohl eine Art Schrein oder dergleichen gewesen. Womöglich eine frühe Verehrungsstätte Ulrics? Vino dachte daran, diese Räumlichkeiten, nach der vollständigen Freilegung, zu seiner persönlichen Ertüchtigung zu nutzen. Immerhin war die Kampfkunst doch sicherlich auch den Erschaffern dieser Arena von Bedeutung gewesen. So interpretierte der Laie Elvino zumindest den Raum und die unzähligen Malereien und Kunstwerke und bei der Betrachtung derselben wurde er unweigerlich an die Barbaren der Himmelspfeiler erinnert.

Elvinos Raum, ein Nebenraum der Gewölbe unter dem Kellertheater

Die Gedanken waren noch bei der köstlichen Pasta von Gennaro Sebastiano einem der Valantinas mit welchen er, wie schon des öfteren, die alte Werft an den Docks zu bewachen hatte. Gantners Bautrupps wurden in den letzten Tagen immer frecher und missachteten offenkundig die abgesteckten Grenzen zwischen den verfeindeten Parteien. Es kam zu Überfällen, Schlägereien und sogar Rauschmittel wurden im Feindesland unverhohlen verschachert. Eine Provokation, die auf die Schwäche des Gulli und den gelittenen Hunger zurückzuführen war.

“Sollen Sie sich nur her trauen”, dachte der Jüngling bei sich und gedachte anderer Untaten, die er an diesem Ort schon verübt hatte. Bei den Göttern war es Selbstverteidigung gewesen, doch das machte die Bilder in der Erinnerung nicht weniger garstig. Die näher am Wasser postierten, tileanischen Wachen pfiffen plötzlich laut. In der sonst ruhigen Wasseroberfläche spiegelte sich das schwache Licht der Laternen und Fackeln, doch die Spiegelung wurde plötzlich durch aufschäumende Gischt und den Bug einer Kogge durchbrochen.

Vino griff nach seiner Klinge.

Non ci aspettiamo una nave, vero?

Sie erwarteten doch kein Schiff?

Der nächtliche Besuch kommt unerwartet über den Flussweg in die Docks des Unterstegs

Plötzlich platschte jemand von Deck in die dreckige Brühe des kalten Reiks. Das Schiff verlor an Fahrt und Taue wurden verzurrt. Bevor Vino dem unfreiwilligen Schwimmer zur Hilfe kommen konnte, hatte man diesen auch aus dem Wasser gefischt.

Fein gekleidete Leute, gefolgt von einem Haufen Nordländern, stapften wackelig von Bord. Mannans Wind und Wasser hatten Ihnen einen Schrecken eingejagt, doch schien niemand gröber verletzt. 

Nachdem in groben Zügen dargelegt worden war warum eine ausgewachsene Kogge hier in den Docks des Unterstegs anlegte erkannte Vino Syfried als einen der Passagiere und seine Anspannung löste sich etwas. Er war in Begleitung eines Ritters namens Ser Gregor. Um die doch signifikante Neuigkeit an Christian zu berichten wurde sogleich beschlossen, dass Vino die beiden Neuankömmlinge ins Kellertheater führen sollte.

________________

Noch bevor die Werft außer Vinos beachtlicher Hörweite war, ließ ihn eine in miraglianischem Akzent gebellte Warnung aufschrecken! 

Attenzione, abbiamo dei visitatori!

Gantners Leute, jetzt? Wussten Sie etwa… ? Was war hier im Gange?

Ser Gregor hielt mit dem Laufschritt des Söldners zurück zur Kogge mit und zwei der besonders gefürchteten Abrisstruppler stellten sich ihnen in den Weg. Den beiden geübten Recken entging jedoch nicht, dass auch an anderen Orten in der Werft Kämpfe entbrannten. Ein Hinterhalt! Syfried war verschwunden, das verwunderte den Tileaner nicht weiter, bei Gefahr hatte er sich noch stets aus dem Staub gemacht.

Nachdem die ersten beiden Kontrahenten aus dem Weg geräumt waren teilten sich die Streiter im Eifer des Gefechts auf und erst nachdem der gröbste Angriff abgewehrt sammelten sich die angeschlagenen Stegwachen, welche sich zum größten Teil aus Palladios ehemaligen Bühnenarbeitern rekrutieren, erneut. Auch der Mann in Plattenrüstung stieß wieder zu Ihnen, jedoch hatte er unerwarteterweise einen Wirkungstreffer abbekommen, so wie er es schilderte von einem ledrigen Monstrum. Das ergab für Vino keinen Sinn, aber manchmal hatte er Schwierigkeiten mit Reiksspiel und der ältere Krieger sprach auch etwas gestelzt.

Ser Gregor war stark angeschlagen, Blut tropfte in schneller Abfolge an seinem Harnisch herab. Er versuchte über die Schwere seiner Verletzung hinweg zu täuschen, doch musste er sich schnaufend auf seine Klinge stützen.

Angeschlagen realisiert Ser Gregor dass etwas grauenhaftes die Stadt heimsucht

Kurz wurde über das weitere Vorgehen debattiert, ob man hier die Verfolgung aufnehmen sollte, doch es waren zu viele Flüchtlinge und Verletzte anwesend, als dass man sich sofort an die Fersen der Drecksäcke aus dem Drecksack heften konnte. Aber sogleich erkannte Vino, dass die anwesenden Tileaner Vendetta geschworen hatten. Ein Racheschwur, der über weit über einfachen Revanchismus hinausging, sondern fast an zwergische Verbissenheit erinnerte. Als Kennzeichen der Vendetta wurde ein rotes, in diesem Falle blutgetränktes, Tuch getragen, welches erst abgelegt werden durfte, wenn die Untaten Gantners und seiner Leute gesühnt waren und die Schmach getilgt war. Einige der Gefangenen wurden samt der Neuankömmlinge aus dem Norden in Begleitung des verwundeten Ritters in Richtung des Kellertheaters geführt. 

Verärgerte Einheimische bewarfen den ungleichen Tross aus den Gebäuden des Unterstegs heraus mit Steinen und brüllten ob der ohnehin schon kargen Versorgungslage den Flüchtlingen Unflätigkeiten entgegen. Ein tiefes und geübtes Bellen in einem Befehlston des Ritters beendete die aufkommende Unruhe sogleich und die eingeschüchterten Gestalten verzogen sich in Ihre Behausungen. Die weitere Rückkehr blieb, bis auf einen Gaukler verkleidet als Vogelmann, welcher Vino stark an Karl und seine tierischen Begleiter erinnerte, ereignislos. 

Im Kellertheater angekommen, erweckte nach außen hin alles den Anschein von Normalität. Lediglich das Geschrei aus dem Keller war ungewöhnlich, welches von einer peinlichen, im eigentlichen Sinne, Befragung des Dottore zeugte, der gerade dabei war, Informationen und gewisse Körperteile aus einem von Gantners Bautrupplern zu extrahieren. Zum Unglück des Folteropfers handelte es sich um den Doktor der Valantinas und nicht um den tatsächlichen tileanischen Heilkundigen, welchen Sie in den Himmelspfeilern gerettet hatten. Bis heute war ihm nicht ganz klar, ob der Dottore der Valantinas, welcher gerade seinem Opfer wieder einen Schmerzensschrei entlockte, tatsächlich ein Arzt war, oder ob dies nur ein spitzzüngiger Spitzname war der seine grausame Aufgabe beschönigen sollte. Fest stand jedenfalls, dass er ein Meister seines Faches war, und so würde es nicht lange dauern, bis die Gefangenen alle ihre Geheimnisse ausplaudern würden.

Vino hatte Christian von den Vorfällen an der Werft berichtet und auch Syfried war wieder zu ihnen gestoßen, allerdings erst nachdem der junge Tileaner eine köstliche Pasta Carbonara von Gennaro Sebastiano geschmaust hatte. Er war es der die Fäden bei den Valantinas zog, seitdem der ehemalige Anführer Emilio verfrüht das Zeitliche gesegnet hatte und auch hatte er wohl Chicos Abwesenheit ausgenutzt. Seit der Rückkehr ins Imperium war sein Freund, mittlerweile musste man ihn wohl so bezeichnen, vorwiegend als Einzelgänger auf schwierigen Missionen tätig. Die sämige Sauce aus Eidottern unterbrach seinen Gedankengang und entführte ihn kurz in seine gebeutelte Heimat und die bissfesten Spaghettoni standen denen seiner Mama in nichts nach. Genussvoll verzehrte er die letzten Bissen, als Christian nach ihm schickte. Die Debatte über die richtige Zubereitung dieser tileanischen Köstlichkeit musste etwas warten, doch hatte Gennaro dem jungen Landsmann Vino eine weiße Rose als Schmuck mit auf die unweigerlich bevorstehende Mission gegeben.

Die Valantinas stärken sich während der gefangene Bautruppler befragt wird

In dessen Büro angekommen, rekapitulierte der Erzknicker, ein Alias des Bürgermeisters, die Ereignisse der letzten Wochen und des heutigen Abends mit immer häufigeren und forscheren Angriffen aus dem Drecksack heraus. Waren es zu Beginn noch verdeckte Operationen in den klar umrissenen Gebieten des Gullis bzw. Drecksacks, so wählten Gantners Leute immer mehr die offene Provokation und Übergriffe am hellichten Tage.

Dies war wohl auch der Abwesenheit geschuldet von Karl, Oberon, Konrad und vielen anderen, die eigentlich im Dienste Christians standen und mehr oder weniger sinnvolle Aufgaben verrichteten. Die Führungsriege war blutleer geworden und auch wenn nach außen hin der Eindruck erweckt wurde, dass alles in gewohnter Ordnung verlief, so war klar, dass Herrn Küfner bald die Spaghetti aus den Hosentaschen rutschen würden, wenn er untätig blieb. Ein altes tileanisches Sprichwort, welches den Kontrollverlust, der im Gange war, gut beschrieb.

Heute Nacht würde dem Ganzen jedoch Einhalt geboten werden. Eine derartige Provokation, die Entführung eines, so hörte Vino, Adeligen mit dem Namen Dolf von Lindgren, aus der Werft, konnte und durfte nicht unbeantwortet bleiben. Auch war einer seiner tileanischen Landsleute Gantners Abrisstrupplern zum Opfer gefallen. Es war Zeit geworden, diese Schmach ein für alle Mal auszumerzen. Das konnte für den impulsiven Vino nur eines bedeuten:

Vendetta!

Nicht so voreilig Vino, ein offener Konflikt würde uns aktuell mehr schaden als nützen, wir können nicht planlos in Feindgebiet vordringen und uns abschlachten lassen wie die Lämmer an der Schlachtbank, mahnte der immerdar besonnene Christian sinngemäß zu etwas Vorsicht.

Zähneknirschend wurde sich also darauf geeinigt, dass der tileanische Jüngling und Syfried, weil jener sich gleich einem Nager überallhin unerkannt schleichen konnte, die Verfolgung aufnahmen und den Übergabeort für den Adeligen und allfällige weitere Geiseln ausfindig machten. Die im Keller vom sogenannten Dottore aus dem Gefangenen gewonnenen Informationen schienen schlüssig. Palladio und seine Stegwachen, die vormaligen Bühnenarbeiter, würden sich um die neuen Rekruten Gantners beziehungsweise deren Sammelplatz kümmern. Wobei mittlerweile hatten sich die Tileaner im Gulli zu einer Minestrone vermischt, bestehend aus Valantinas, Bühnenarbeitern, Vino und jenen die aus den Himmelfspfeilern gerettet worden waren. Chico, der mittlerweile etwas von seinem Führungsanspruch bei den Valantinas verloren hatte, würde hingegen  im Alleingang einen Zugang zum zentralen Gebiet Gantners im Fleischviertel suchen. 

Chico bereitet sich auf die "Vendetta" vor

Doch für diese - die schwierigste und wichtigste - Mission war er El Vino de Fuero und sein Anhängsel Syfried auserkoren worden. Denn nur diesen beiden konnte ernsthaft  zugetraut werden, den entführten Adeligen zu finden und zu retten. Natürlich bremsten die lenkenden Kräfte im Gulli wie immer und meinten es genüge den Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Doch Vino war sich sicher, er würde, gemeinsam mit seinem Kompagnon, den Abend retten.

Vorerst musste er noch Ser Gregor davon abhalten, dass jener die beiden begleitete. Widerwillig gab er sein Vorhaben auf. Viel lieber wäre Vino allerdings der Cane Corso, ein tileanischer Mannhund gewesen, welcher auf den Befehl von Paolo Gentile hörte. Dieses Tier wurde von den Masnadas gezüchtet. Jene waren eine Vereinigung von Tileanern, nicht unähnlich den Valantinas, mit ähnlich zweifelhaften Motiven. Das beeindruckende Tier wäre hilfreich gewesen, denn mit der Kleidung des Adeligen aus der Kogge hätte man womöglich eine Spur aufnehmen können. Doch der kalbsgroße Köter machte keinerlei Anstalten sich von Vinos Lockversuchen bezirzen zu lassen. Weder die Reste der Carbonara noch tileanische Befehle und Bitten konnten das Tier von seinem Wachposten im Schankraum des Kellertheaters aufjagen.

So machten sie sich auf in die kühle Nachtluft des Armenviertels der imperialen Hauptstadt. Unweit des Ausgangspunktes erklommen Sie sogleich die Dächer und die dazugehörigen Wege. Diese waren zwar großteils bekannt und ermöglichten es relativ ungesehen voranzukommen, jedoch war man erstens immer einen Schritt von einem Todessturz entfernt und zweitens im Falle einer Entdeckung war man  sehr eingeschränkt in der Wahl seiner Fluchtwege.

Viele vertraute Verbindungen führen durch das verschneite Viertel

Leise und vorsichtig bewegten sich Syfried und Vino gen Drecksack, auch aufgrund der Witterungsverhältnisse war dies die bestmögliche Vorgehensweise. Recht flott erreichten Sie einen der ersten Wachposten, die über den Straßen des Gulli Wache hielten. Jene waren erst kürzlich, unter Beteiligung Vinos,  eingerichtet worden als Reaktion auf die Übergriffe Gantners. Nicht alle Posten waren jederzeit besetzt, doch das empfindliche Gehör des jungen Tileaners vernahm ein leises Knarzen der alten Holzdielen. Jemand wippte dort unruhig auf den Beinen hin und her, eine beliebte Taktik, um zu verhindern, dass einem beim Wache halten die Beine einschliefen. Vino wollte die Aufmerksamkeit seines Kollegen überprüfen und schlich sich recht geschickt an den Verschlag heran, welcher als Ausguck diente. Mit gezogener Waffe begrüßte er die Wache welcher er vom Sehen kannte. Er mahnte eindringlich zur Vorsicht und verwies auf den massiven Angriff Gantners, welcher nur kurz zuvor erfolgt war. 

Nachdem die notwendige Vigilanz des Spähers sichergestellt war, zog das Duo weiter gen Drecksack. Es war unwahrscheinlich, dass die Entführer den Gulli bereits unerkannt verlassen hatten in so großer Anzahl und auch mit einer Geisel im Schlepptau wäre dies sicherlich aufgefallen. Ihr Ziel befand sich in südlicher Richtung, nicht unweit der großen Straße beziehungsweise der Schneise, welche damals vom Cursus geschlagen worden ist. Wären die Pfade dieser Stadt nicht des nächtens noch verwundener und verwirrender als tagsüber, dachte der Tileaner bei sich, während Sie sich dem nächsten Posten näherten.

Nicht zu jedem Zeitpunkt waren alle Positionen besetzt, doch scheinbar hatte Syfried dort etwas Bewegung vernommen. Der behände, fast tierartige Gang war weitaus weniger plump als jener Vinos. Würde man die zwei mithilfe von Tieren beschreiben wollen, so vernahm man auf den Dachwegen das leise Trippeln eines Mäuschens, dicht gefolgt von einer trächtigen Kuh, die hinterher stapfte.

Auf den Dächern der Stadt wurden Männer positioniert. Die Leute des Erzknickers?

So unerkannt sich Syfried dem Posten annäherte, so klar wurde, je näher man dem Verschlag kam, dass es sich um niemanden handeln konnte, der Ihnen wohlgesinnt war. Die Person, welche verstohlen dort heraus lugte, hatte einen Bauhammer in die Visage tätowiert. Ein sicheres Erkennungsmerkmal der Abrisstruppler, jene waren die Elite der Bautruppler Gantners - sofern man im Drecksack irgendjemanden so bezeichnen mochte - kurz verständigten sich das ungleiche Duo, dass man eine solche Grenzüberschreitung nicht ohne Weiteres hinnehmen konnte und sollte dieser Bautruppler Sie entdecken und verraten wäre das Missionsziel gefährdet. Deswegen und auch weil eine Vendetta ausgerufen worden war, hatte dieser Bastard zum letzten Mal seine hässliche Fresse hier im Gulli gezeigt.

Syfried konnte sich unerkannt dem Kerl annähern, doch sein plumper Kampfstil war ein Graus zum Ansehen, ebenso wie der Hammer, der ihm beinahe den Brustkorb einschlug. Das Überraschungsmoment nutzend wollte er einen seiner beiden Dolche in den überrumpelten Schlägertypen mithilfe einer schwungvollen ausladenden Bewegung versenken. Doch blieb die Parier des Messers an einem Brett hängen, welches normalerweise den Ausguck verbarrikadierte. Der zweite Stich sollte sogleich folgen, doch aus der Balance gebracht, glitt die kurze Klinge wirkungslos zwischen Arm und Torso hindurch. Ehe der Angreifer richtig realisiert hatte, dass er gerade einem kampferprobten Totschläger aus dem Drecksack die Gelegenheit zum Gegenschlag gegeben hatte, war Syfried auch schon auf dem Boden. Die Luft war ihm buchstäblich aus dem Körper geschlagen worden und er sackte reglos zusammen. Beinahe wäre er über die Planke hinweg in den Tod gestürzt, wenn ihn nicht die freie Hand des Tileaners ergriffen und vor Schlimmeren bewahrt hätte.

Es wäre nicht gut ausgegangen, wenn Vino nicht - wenig elegant - wie es sein Naturell war, den Kerl gestellt hätte. Dieser war noch abgelenkt vom abgewehrten Angriff Syfrieds und realisierte zu spät den geübten Schwertstreich des Tileaners welcher ihn in einem Zug aufschlitzte. Die zerrissene Kleidung gab sogleich den Blick frei auf Blut, das spritzend und quellend aus seinem Körper auf die staubigen Holzdielen heraus quoll. Bald würde er seine letzten Atemzüge nehmen und noch bevor dies geschehen war, wurde Syfried von seinem Retter wieder mühevoll auf die Beine geholfen. Noch ordentlich durch den Wind und sichtlich angeschlagen, bedankte sich der Rattenfänger flüsternd. Grob wurden die Räumlichkeiten und der vorzeitig Verblichene durchsucht, ehe sie ihn in einer Ecke vor etwaigen Kollegen zu verbergen versuchten. 

Der Auftrag durfte nicht weiter verzögert werden und so bestiegen Sie schnell wieder die Dachplanken, welche unweigerlich an diesem Außenposten vorbeigeführt hatten. Vermutlich war es nur ein Bauchgefühl, doch im Vertrauen auf Myrmidias Weisheit, wähnte sich Vino auf einer heißen Spur. So dauerte es nicht lange und der etwas behäbige, weil verletzte, Syfried und Vino dahinter erreichten die Außengrenzen des Gullis. Ein eingestürztes Gebäude war der Abstieg von den nun endenden Pfaden. Bevor Sie jedoch dorthin hinab stiegen, hatten Sie einen Kerl von einem Mann erspäht. Jener war alleine in der Dunkelheit postiert vor einer Tür des Gebäudes und nur erleuchtet vom fahlen Schein, der aus dem Inneren des Unterschlupfes auf die Straße gelangte. Der Blick hinab verriet, dass es sich auch um einen von Gantners Schergen handeln musste. Es gab hier keinen Unterschlupf des Kellertheaters. Kein ehrlicher Gullibürger würde bei den jüngsten Ereignissen alleine hier, in der Kälte herumstehen, gäbe es nicht etwas, oder jemanden zu bewachen. Aus der Ruine welche das Ende der Planken darstellte, konnte man in der Finsternis keine gute Schussbahn auf den Kerl finden und auch wenn, dann wäre ein möglicher Fehlschuss lediglich eine unnötige Warnung ohne Wirkung zu entfalten.

Durch das halb eingestürzte Gebäude hinabsteigend passierte Vino ein paar der allgegenwärtigen Rauschmittelkonsumenten welche zu tief in die Kräutertöpfe hinein geblickt hatten und auch Vino nur dümmlich begutachteten, so als würden sie sich fragen ob hier gerade tatsächlich ein bis an die Zähne bewaffneter Söldner an ihnen vorbei getanzt war. Während der junge Tileaner seine Schritte immer mehr eintaktete und die Bewegungen rhythmischer und geschmeidiger wurden als noch zuvor, probierte Syfried, erfolglos eine bessere Stelle zu finden, um einen Schuss abzugeben. Wie ein Pinselstreich auf einem Gemälde war es als der Jüngling seine Klinge vom Gürtel zog und man mochte ihn für einen der Berauschten halten wenn man seine kreisenden Bewegungen des Oberkörpers und das schön anzuschauende Tanzen seiner Schwertspitze durch die kalte Nachtluft Altdorfs betrachtete. 

Er hatte seinen Kampftanz in den letzten Wochen immer wieder geübt und ihm in der neu entdeckten Arena Ulrics sogar seine eigene persönliche Note gegeben, wenngleich er immer noch unverkennbar von den ersten Menschen aus den Himmelspfeilern stammte. Sein Fokus war nun einzig und allein der Kampf, ein befreiendes Gefühl, denn der Geist war nicht mehr beschäftigt mit dem schnöden Alltag, sondern er war ausgerichtet auf diesen Schergen Gantners, welcher zwischen ihm und seinem Ziel stand, nämlich diesem offenkundigen Unterschlupf. Etwas entgeistert blickte die Wache Vino an, als er plötzlich zusammen zuckte und von einem Geschoss getroffen wurde. Offenbar hatte sein verwundeter Kompagnon doch noch ein Schussfeld gefunden und der nun alarmierte Getroffene blickte zornig auf Elvino, der - nun war es offenkundig - ein Angreifer war.

Die Fußballen geschmeidig abrollend, tat er den nächsten Schritt in der Choreographie des Kampftanzes und erkannte den Wüstling wieder. Er war einer der Schatzenheimer gewesen, die ihm, damals im Handelsviertel, gemeinsam mit Konrad und Niklos den Zutritt zur Zuflucht verwehrt hatten. Darüber hinaus hatten Sie den jungen Tileaner ziemlich übel zugerichtet. Ein Grinsen entsprang der zerschlissenen Mimik des Jünglings, als er diesen Umstand realisierte. Mit seinem unverkennbaren tileanischen Akzent sprach er seelenruhig:

“Ich habe gehört hier hatt’ eh jemand eine Pizza bestellt eh?!”

Der ehemalige Torwächter der Schatzenheimer nun in den Diensten Gantners

Der Grobian hob seinen Prügel an und antwortete mit ein paar Unflätigkeiten. Noch bevor der Schatzenheimer, nunmehr in Diensten Gantners, wirklich ausholen konnte, erstarrte sein Blick. Gewandt wie eine Katze, die nur auf den richtigen Moment wartete, um Ihre Krallen in einer Maus zu versenken, hatte der tanzende Vino seine Klinge abermals in einem gewaltigen Streich von unten nach oben geführt. Beinahe vermochte er es den Bastard entzwei zu schlagen, lediglich ein paar Hautfetzen und die Wirbelsäule hielten den Körper noch zusammen welcher beginnend von seiner Hüfte bis hinauf zur Achsel ein Opfer der stets geschärften Waffe geworden war. Es war fast schade, dass Syfried ihn zuvor mit seiner Schleuder verwundet hatte, denn so könnte man denken dieser Treffer war ihm nur aufgrund der bestehenden Verwundung gelungen, doch Vino war sich sicher, dass er hier Rache geübt hätte, unabhängig davon was sein Gegenüber ihm entgegengebracht hätte.

Vinos Klinge kostet das zweite mal Blut in dieser Nacht.

Doch es war immer noch unklar, was sein vormaliger Peiniger aus dem Handelsviertel hier zu suchen und zu bewachen hatte. Glücklicherweise hatte sich die Erinnerung an seine hässliche Visage und seinen blaffenden, arroganten Reikländer Akzent ins Gedächtnis eingebrannt. Kurz musste der burschikose Tileaner sich räuspern, bevor er seine Gabe nutzte, Leute nach zu äffen beziehungsweise diese zu imitieren:

“Heda, lasst mich mal rein, ich muss pissen und außerdem ist es schweinekalt hier draußen”

Man konnte aus dem Inneren hören, dass Stuhlbeine auf den Dielen nach hinten geschoben wurden. Langsam wurden ein Metallbolzen beiseite geschoben und danach der hölzerne Türriegel aus seiner Verankerung gehoben. Die Tür war ziemlich gut gesichert für den Untersteg und noch bevor die Person im Raum die Pforte vollends geöffnet hatte, lag jene blutüberströmt auf dem Boden. 

Hastig drängte Vino in den Raum hinein und mittlerweile hatte auch Syfried sich bemüßigt, zu ihm aufzuschließen, allerdings war dieser in seiner jetzigen Verfassung im Kampf wenig zu gebrauchen. Die alarmierten beiden verbliebenen Insassen der Lokalität erhoben sich von einem Kartenspiel und zogen Ihre Knüppel und Totschläger. Es war offenkundig, dass es sich um Gantners Leute handeln musste. Noch bevor einer zum Angriff ansetzen konnte, hatte Vino, sich seiner Unterzahl bewusst, den Näheren der beiden mittels Tritt aus der Balance gebracht und als dieser immer noch nicht klein beigeben wollte, war der Tileaner gezwungen auch mit jenem kurzen Prozess zu machen. Dabei zögerte er nicht, denn er hatte auch kein Pardon von seinen Gegenübern zu erwarten. Es war nichts Persönliches, sondern schlichtweg ein Auftrag, den er als Söldner zu erfüllen hatte und wenn es sich nicht vermeiden ließ, musste eben auch Blut vergossen werden.

Der verbliebene Abrisstruppler blickte entsetzt auf Vinos Visage und seine bluttriefende Klinge. Doch auch dessen blaffende Forderung, die Waffe niederzulegen, ansonsten würde er das Schicksal seiner Kameraden teilen, konnte den Narr nicht von seiner Torheit abbringen. Mit erhobenem Hammer stürmte er auf Vino zu, der sich unter dem grobschlächtigen Hieb hinweg duckte, und seine Klinge abermals Blut kosten lassen musste. Dabei hatte der Tileaner noch Gelegenheit gegeben sich zu ergeben und zu verraten, wer oder was hier bewacht wurde.

Leblos sank der Getroffene zu Boden und der Raum bot ein Bild des Schreckens. Nachdem jedoch der Kampfeslärm verebbt war, hörte das empfindliche Gehör des Schlächters einen flachen Atem aus dem Obergeschoss. Eine in die Jahre gekommene steile Holztreppe führte in das Obergeschoss, welches, wie sich später herausstellen sollte, Teil des halb eingestürzten Gebäudes war, welches Sie zuvor verlassen hatten, um den Schatzenheimer der den Eingang bewachte, auszuschalten.

Hastig fledderte Vino die Opfer seiner geübten Schwertstreiche, doch im Untersteg fand man selten irgendwelche Wertgegenstände und so überließ er den Plunder Syfried. Er eilte die Treppe hinauf und fand dort einen geknebelten und an deinen Stuhl gebundenen Mann in nobler, wenn auch verdreckter und etwas zerschlissener Kleidung. Zweifellos war es der entführte Adelige Dolf Lundgren, der hier zwischengelagert worden war. Es blieb nicht viel Zeit für aufklärende Gespräche, denn als Syfried sich gerade anschickte, die Stiege hinauf zu gelangen, rüttelte plötzlich jemand an der Tür. Eilig befreite der Tileaner den Adeligen von seinen Fesseln und richtete diesen mehr oder weniger unfreiwillig auf. Er war noch ziemlich bedröppelt und verstand wohl nicht wirklich, was gerade vor sich ging, denn zum leichteren Transport hatte man ihn wohl schlicht und ergreifend bewusstlos geschlagen.

Die Zielperson konnte gefunden werden!

Das Rütteln an der Tür hatte aufgehört und der laute Knall einer Explosion bestätigte, dass ungebetener Besuch eingetroffen war. Noch mehr von Gantners Leuten? Womöglich jene, die Dolf abtransportieren hätten sollen? Vino musste sich auf die Lippe beißen, um nicht auf tileanisch zu fluchen. Der Blick wanderte durch den Raum, um einen Fluchtweg auszumachen. Es gab eine Öffnung in dem maroden Gebäude an der Decke des Obergeschosses, die wohl auf den halb offenen Dachstuhl führte.

Ohne Gegenwehr zu dulden bugsierte Vino den Befreiten dort hinauf und unter schwerer Kraftanstrengung zog er sich selbst ebenfalls auf die höher gelegene Ebene, wo abermals die vollkommen betäubten Süchtigen ihn und seinen ebenfalls noch beeinträchtigten Geretteten anstarrten. Syfried schaffte es unglücklicherweise nicht, ihnen zu folgen und verbarg sich hoffentlich irgendwo in dem Gebäude, wie es seinem Naturell entsprach. Jedenfalls würde das Blutbad im Untergeschoss allfällige Verfolger etwas aufhalten und womöglich sogar abschrecken und so gelang Dolf mit Unterstützung Vinos die Flucht gen Kellertheater, während Syfried in der Falle saß wie eine Maus die zu lange am Speck geknabbert hatte. Doch nicht jedes Mäuschen wurde entdeckt und bekanntlich hatten diese auch ein feines Gehör…

Syfryd konnte mit einem der plötzlichen Ankömmlinge kurz in Kontakt treten: Manfred Harwitt

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen