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Die Tore des Morrskultes sollten uns also erneut empfangen und erneut berichte ich in Angelegenheiten der Toten.
Schmerzlich hatte ich noch die letzten male in Erinnerung, die uns hierher geführt hatten. So konnte auch unser neuer Besuch nicht weniger versprechen, als uns wieder auf Messersschneide entlang vorwärts zu peitschen. Immerfort an der Schwelle zum Totenreich standen wir mehr als einmal mit einem Fuß im Grab, und ebenso wie meine Mitstreiter - halbtot und doch noch nicht gänzlich in der Anderwelt, waren unsere Kontrahenten, weder gänzlich lebendig noch wirklich tot.
Doch verzeiht Herr Mercian, die Ereignisse überschlagen sich schon wieder.
Nachdem wir euch zum Gedenktheater, dem geplanten Abschlusspunkt der Parade und Vorbesprechungsort bringen durften, beschloss ich zu allererst meine Heilsalben Bestände aufzustocken, etwas Zeit mit meinen Weggefährten zu verbringen, und mich für geleisteten, bisherigen Beistand im Kohlebecken erkenntlich zu zeigen.
Kurz konnten wir noch in der Gruppe in der wir uns auf der Reikerbahn einfanden, noch bei Ludwig nach Informationen und Sicherheitsrisiken erkundigen. Von jenem wurden wir jedoch auch beschuldigt schöne Verbündete Kufners zu sein, und doch nichts von seiner Vergangenheit mit dem zurückgekehrten Gottlieb zu wissen. Dieser schien zu einem immer größeren Problem für den Schwarzmarkt zu werdenden. Scheinbar war jener einstige Oberpate des Unterstegs einst Besitzer des zentralen Kellertheaters und würde wohl bald wieder nach dessen Kontrolle trachten. Ich hoffe nur, dass er sich damit bis nach der Parade zumindest gedulden können wird.
Ich schuldete dem hühnenhaften Kuchenvernichter des Schwarzmarkts, der nicht nur dem Zucker, sondern scheinbar auch meinetwegen nun schon nach menschlicher Manier begann seine Zähne einzubüßen, noch immer mehr als mein Gewicht in Goldmünzen, und wollte mich nicht als undankbar erweisen, noch hatte er jedoch keine konkrete Aufgabe. Karl und Hantsch wurden von Ludwig ihrerseits in den Altdorfer Zoo verwiesen, auf die Suche nach einer ominösen Kreatur die Ludwig nur "Rüsselbert" nannte. Karls Tierliebe war mir bereits vertraut, so hoffte ich nur Hantschs Interesse daran war nicht kulinarischer Natur. Denn seit der entbehrungsreichen Reise durch das Nordland scheint der schlacksige Mann mit der Khainitenmaske täglich weiter an Masse zuzulegen. Er würde wohl bald schon in Ludwigs alte Kleidung passen wenn sie diesem demnächst unweigerlich zu klein wird, so er nicht aufhört in die Breite zu wachsen. Ähnlich wie sich auch Sieghart Jäger, dieser Tage Melchior genannt, gerne in Hohenflurs Garderobe präsentiert.
So trennten sich unsere Wege vorerst. Sowohl der Dieb Konrad, von Ludwig stets nur misstrauisch beäugt und immernoch humpelnd und stark angeschlagen, als auch Syfryd konnte ich unterwegs nur grob versorgen, nachdem ersterer mich wieder mit Salben eindeckte. Was jedoch scheinbar höchste Dringlichkeit zu erledigen vorwies, ehe in wenigen Stunden die Parade anstehen sollte, war zu diesem Zeitpunkt die Erfüllung letzteres, persönlicher Mission. Und so schnell sich Konrad nach oberflächlicher Verarztung auch schon wieder verabschiedete, so unverblümt stolperten uns auch Sieghart, pardon Melchior von Hohenflur samt eigenem Hofmohren aus einer Tavere über den Weg. Scheinbar führten ihn eigene Absichten in den Morrsgarten wo auch Syfryds Queste hin verlief, und so konnte ich mich - bereits mehrfach dort gewesen - anbieten nützlich zu machen.
Die erste, und vielleicht aufgrund der verwirrenden Navigierbarkeit der Stadt eher wenig naheliegende Station auf dem Weg dorthin, sollte die Innerstädtische Mauer des Unterstegs sein. Denn der junge Bastard Hohenflurs hatte dort, bevor wir vor einigen Tagen in die Zuflucht aufbrachen, schließlich sein Leichentuch hin verschossen, als er es mit Karls Hilfe am Kellertheater als Fahne hissen wollte.
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Die Innerstädtische Mauer im Untersteg ist nicht selten Schauplatz ungewöhnlicher Geschäfte |
Mir jedoch erschien es weitaus eher meiner Aufmerksam wert mir Melchiors bezahlten Wegführer durch die Reikerbahn, einen Untersteger Tagelöhner genannt Ruppi, ins Auge zu fassen, als erneut in die Stadtmauer einzubrechen. Das hatten wir bereits.
Er bewies sich als Scharfschütze mit der Schleuder, erwähnte des öfteren Erfahrungen mit Halblingen und schien bis gerade noch in einer Meute aus teils Brüte kranker Obdachloser aus dem Drecksack unterwegs gewesen zu sein. So lange ich ihn beobachtete schien er sich mit müh und Not zusammenzureissen um sich Elfenfeindselikeiten nicht anerkennen zu lassen. So sehr ich ihn still auch verdächtigte eventuell einer der Assassinen Lehrlinge des Halblings Langnase zu sein, nicht an ihm verriet seine kürzliche Verwicklung in den Entführungsversuch des jungen Oswald, wenige Schritte entfernt von wo wir euch zuletzt verließen, Herr.
Ich beschloss ihn - Melchior, den Mohren und Syfryd am Tor abgeliefert - in eine Taverne einzuladen, abzufüllen und nach mehr Anhaltspunkten zu befragen. Mir bleibt nur zu hoffen nicht selbst zu viel verraten zu haben, war ich doch, scheinbar nicht so leicht betrunken, gaukelte es aber gar unglaubwürdig vor. Hätte ich nur dem Mimenspiel Vinos mehr Gehör geschenkt. Bevor er sich rasch und dramatisch des Gesprächs entzog, selbst kaum beeinflusst von einem halben dutzend Schnapsgläser, verriet Rupi jedoch noch von seinen Beobachtungsposten in den Gebäuden nördlich von Sindelfingen, dorthin exzellente Schussbahnen zu haben. Eine schlecht verhohlene Drohung! Die Dankbarkeit des Drecksacks für eure Essenslieferungen scheint sich in Grenzen zu halten.
Etwas wackelig auf den Beinen fand ich rasch darauf die beiden Sigi Jägers und den Mohren wieder auf der Straße, und mit seinem zerknüllten Leichentuch unter dem Arm, machten wir uns auf zum Morrsgarten.
Wir umgingen dank Syfryds leichtfüßger Vertrautheit mit den Schatten einen möglichen Hinterhalt einiger Bewaffneter auf einer Holzbrücker, über eine südliche Parallelstrasse zur Reikerbahn und fanden uns bald, wie oben erwähnt, an den Toren zur Unterwelt. Wie auch die letzten Male waren diese bemannt, von einem zeremonienlosen und überarbeiteten Halbling, mir noch als Herr Bohns bekannt. Das Friedhofsgelände war gigantisch, eine Stadt in der Stadt, und so gewährte er uns nur unter folgender Bedingung, und nach einigem Verhandeln Einlass. Denn nur in den erlaubten, nach Zahlen und Buchstabenmuster benannten Arealen durften wir uns diese Nacht aufhalten, gefährliche Gestalten waren unterwegs und das Gelände strotzte vor Spalten in die Tiefe. Und so ließ uns der kleine Mann in Kaputze und Totenmaske passieren, offiziell um uns als Grabschaufler verdient zu machen. Um mit von ihm ausgestellten vorläufigem Scheibkarrenführerschein bei seiner Arbeit zu helfen. Wenngleich mir zuletzt auffiehl, dass die Tore zum Totenreich ohnehin nicht wirklich verschlossen, sondern vermutlich unter gewalteinfluss aufgerissen waren. Verheissungsvolle Omen.
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Der westliche Untersteg nahe der Reikerbahn liegt in trügerischer Ruhe, Stunden vor der großen Parade |
Meine bisherigen Erfahrungen im Morrgsgarten waren das Aufsteigen aus der Tiefe der Krypta "Vollens" nach dem Ende Edwin Kleins, eine Recherche in ihrer Bibliothek, eine Reihe von Scharmützeln an seinen Aussengrenzen und die Versammlung Vong Quirtenwangs.
Diese fand nachdem die Reste des Cusus Honorum in einem späktakulären magischen Sturm das hiesige Vaultartefakt aus dem Morrsgarten durch den halben Untersteg gezogen hatten und eine Schneise der Zerstörung hinter sich nachzog. So wusste ich zwar wo die zentrale Tempelhalle zu finden war, vermutete jedoch hinter jedem Schatten verbleibende Cursus Kultisten und deren verwesende Marionetten. Syfryd war gleichsam Melchiors Scheibkarren folgend, ebenso nervös. Seine letzte Begegnung mit den leeren Augen der wandelnden Toten war ihm noch in das Gesicht gezeichnet. Und doch schien uns drei eine Art unterbewusste Verbundenheit mit dem Thema zu verbinden und weiter anzutreiben. Seltsam. Vielleicht könnt ihr mir eines Tages helfen, diesen seltsamen Traum jener Nacht in der Krallensee genauer zu ergründen, Herr Mercian.
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Die Arbeit wird Herrn Bohns dieser Tage nicht ausgehen. |
Zahllose Gräberfelder, dorfartige Anhäufungen von aufragenden Krypten, karge Bäume, Säulen und Obelisken die den gepflasterten Weg säumten hinter uns lassend, erreichten wir den Haupttempel des Totenkultes, fest verbarrikadiert und bewacht von geflügelten, Sensen bewährten Statuen Morrs.
Mir war als vernahm ich marschierende Schritte, im Takt durch die Dunkelheit ziehen, und gerade als ich mir die gerüsteten Männer in der Entfernung genauer ansehen wollte, denn sollten es verfluchte, tote Krieger sein wie jener dem ich meinen Bronzehelm verdanke, viele Schritt unter dem Boden auf dem wir nun schritten, war es besser rechtzeitig zu wissen womit wir es zutun hatten.
Bevor ich mich jedoch zu weit weg wagen konnte, schaffte einer meiner Begleiter es, scheinbar die sprechend Statue davon zu überzeugen uns Einlass in den Tempel zu gewähren. Ich vermute einen versteckten Beobachtungsposten des Kultes darin, denn die Stimme eines alten Mannes gebot uns die Waffen draussen zu lassen.
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Der zentrale Morrstempel liegt vorerst noch ruhig in dem verschneiten Gräberfeld |
Grau und still lag die gigantisch aufragende Halle nun vor uns, ein gebückter Greis in den Roben des Ordens führte uns hinein. Zu der späten Stunde war er der einzig anwesende, Virgil und Constantin scheibar unterwegs in eigenen Aufträgen. Der Melchior bereits bekannte Ordensvorsteher Makart vermute ich, fand sich zu jener Zeit in eurer Anwesenheit.
Syfryd tauschte sich mit dem Greis, der sich langsam doch bedacht artikulierte, halblaut über einen mir unbekannten Charakter aus dem Osten aus, in dem er nicht nur seinen eigenen, sondern auch den Feind des Morrskultes sah. Ein Umstand der meiner, zugegeben unaufmerksamen Erinnerung nach, auf wenig Sympathie des Alten stieß. Dieser ließ uns nach wenigen Worten allein bei dem zentralen Wasserbecken, einem übergroßen, steinernen Kelch zurück, vermutlich um irgendeinen, vergleichbar betagten Kollegen des Fachs in einer Hinterkammer zu konsultieren. Ich konnte mich nicht beschweren, bereits in Middenheim hatte ich bereichernde Lehrstunden bei einem seiner Kollegen in einer Sezierstube, so konnte ich die langsamen Schritte des Alten in der sicheren Stille des Tempels gerne abwarten.
Wenig waren zu dieser Zeit bereits die Stunden meines Schlafes, und noch weitaus weniger sollten es werden, sah ich auch ohne eine magische Begabung vorher. So besah ich nach langer Zeit erneut mein noch geschwärztes Antlitz in dem Wasserbecken und beschloss mich darin zu waschen. Wäre ich ein Geistesgegenwärtigerer gewesen, hätte ich es womöglich als Weihwasser erkann und meine sämtlichen leeren Phiolen darin gefüllt, doch der Rückblick ist stets die schärfste Sicht.
Und während Syfryd noch ungeduldig auf und ab schritt, beschloss Melchior die große Statue des Totengottes eingehendst zu studieren. Lange schon schien er eine Faszination für die südlichen Reiche der Menschen zu hegen, denen auch der Mohre in Hohenflurs Dienste entsprang und mich so humorlos musterte, wie ich mein Gesicht schrittweise, simpel und ihm doch so unmöglich, von dunkler Farbe befreite. Doch noch um ein vieles weiter, schien alles mit Bezug auf das Reich der Toten den jungen Melchior in seinen Bann zu ziehen. Was wollte er noch mit dem Leichentuch? War es an eine mir unbekannte imperiale Trauerzeremonie geknüpft? Ernst Adolph vong Hohenflur war jedoch nicht tot. Zumindest hatten wir sein Ende nicht miterlebt. Wenn er es mittlerweile gefunden hatte, mochte sein Leib irgendwo zwsichen hier und der Krallensee verscharrt, vertilgt oder am Meeresboden sein, wie konnte sein angeblicher Sohn da also um ihn trauern? Immer wieder war auch die Rede von einer Halbschwester, also Tochter des alten Hohenflur, die wiederzusehen der Abenteurer und Kundschafterfürst die ganze Expedition in den Norden erst gestartet hatte. Doch "Melchior" schien weder zu wissen wo ihr Grab genau lag, noch was mit dem Leichentuch anzufangen sei, lediglich es an dem höchsten Ort des Unterstegs anzubringen ward ihm scheinbar durch den Mohren geheissen. Oder war am Ende doch mehr ein getriebener Akolythe des Morrsordens denn verloren gelaubter Bastard, an ihm verloren gegangen?
Er musste Viktor aus der Halle der Stille befreien, meinte Syfryd noch als er uns bat ihn hierher zu begleiten, ein Ort, in der Tiefe unter dem Morrsgarten, gehüllt in Dunkelheit und durchzogen von metallenen Stangen. Mir war ein Ort auf den zumindest diese Beschreibung zutraf bekannt, entlang des Verbindungstunnels zwischen Kellertheater und Morrsgarten im hier im westlichen Untersteg, doch war er gefährlich, voller geisterhafter Schatten, deren Echos von einstigen Worten uns in der alten Sprache der Menschen seiner Zeit zu Ruhe aufforderten. Ausserdem war der Zugang zumindest von Osten her dazu versiegelt, und ließ, soweit ich die Abzweigungen im Untergrund Labyrinth kenne, nur den Eingang durch den Morrstempel selbst zu. Der Junge aus dem Osten um den Syfryd sich angenommen hatte, scheint dort von dem Fräulein Sabrina und dem Morrskult geläufigen Tradition mehrere Wochen eingesperrt worden zu sein um seine angebliche Verbindung mit der Anderwelt in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Eine Methode die mir recht grausam und drastisch für ein Kind erscheint. Solltet ihr mehr Interesse an ihm haben Herr, kann ich mehr über Viktor, war sein Name, herausfinden, mir selbst erschien die Erforschung der Morrskrypten wie erwähnt nur umso sinnvoller für unsere Sache, insofern sie ebenso eine Affinität für Traumreisen und Visionen zu haben scheinen, die uns im Oneirischen Krieg nutzen könnten? Oder wenn schon nicht die Menschen des Kultes selbst, so vielleicht zumindest ihre Artefakte, Kraftplätze, Techniken oder Geheimlehren.
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Das Innere des Morrstempels, zu dieser wie jeder anderen Stunde in Stille und Dunkelheit gehüllt. |
Wir waren jedenfalls im Begriff für uns alle relevante Neuinformationen von dem Alten, und wen auch immer er holte zu erhalten, und harrten seiner ungeduldig in der trüben, selbst Krypta-artigen Stille und dem Dunkel der Tempelhalle, nur beleuchtet vom Sternenhimmel hinter der Glaskuppel hoch über uns.
Plötzlich riss Melchior uns aus der ungeduldigen Erwartung und schrie uns in Deckung zu bringen, denn ein Angriff durch eine ledrige Bestie stünde unmittelbar bevor. War er wahnsinnig, abergläubisch oder hatte er tatsächlich eine erfahrungsbedingt, kalkulierte Vorahnung, oder gar Vision die uns wertvolle Sekunden erkaufte?
Zögerlich folgten wir nach zu langer Verwirrung seinem Drängen zurück zum Tor, als sich seine Prophezeiung bewahrheitete. Der Himmel über der Kuppel verdunkelte sich und nur als riesige Silhouette konnten wir eine spitze, federlose geflügelte Kreatur ausmachen. Da barst auch schon das Glas und Scherben regneten wie rasiermesserscharfe Wassertropfen auf das Wasserbecken, wo wir Augenblicke zuvor noch ahnungslos auf und ab geschritten waren.
Der Schrei war markerschütternd und weckte in uns allen eine Urangst, vor schrecklichen Kreaturen, wie Drachen, Dämonen, Riesen oder eben unbekannten Monstren der Unterwelt wie dieser. Kaum wagte ich selbst mich umzuwenden und womöglich bei dem Anblick zu erstarren. Wir alle rannten bloß so schnell wir konnten und rissen den Torriegel beiseite, denn hier mit dem Monster eingesperrt, und noch dazu ohne unsere draussen versteckten Waffen, hatten wir keine Chance.
War es meine schmerzlich angelernte Abneigung vor lauten Geräuschen, oder die spitze Form meiner Ohren die mich vor dem Kreischen wie Fingernägel auf rauer Keramik bewahrte, Liadrielles Schützende Hand oder lediglich Glück, ich kann es nicht sagen, doch während Syfryd, Melchior und der Mohre noch strauchelten und stolperten konnte ich mich schon nach draussen werfen und meinen Bogen ergreifen. Ich bot Melchior mein Horn an, denn womöglich war es selbst auch Geräusch empfindlich . Denn was mehr konnte der unbewaffnete, fein gekleidete Mann, der jedoch seine Vogelpfeife aus Ton vorzog, in einem Kampf sonst beitragen.
In vollem Bewusstsein der Aufopferung seines Lebens schrie der Mohre seinem Freund und Mitkollaborateur in seiner neuen Identität, Melchior vong Hohenflur noch zu, er solle um jeden Preis seinen Vater finden und ihre Aufgabe fortführen, bevor er Syfryd aus dem Raum warf und unter meinen, im Dunkel verfehlenden oder wirkungslosen Pfeilen den Klauen und Bissen der Kreischenden Bestie zum Opfer fiel und wir schweren Herzens das Tor hinter uns schlossen.
Doch der Lärm unserer Konfrontation hatte auch die gerüsteten Gestallten draussen auf uns aufmerksam gemacht, und entgegen erwarten, erkannten wir in der Entfernung vage nicht die Umrisse von Untoten Kriegern, sondern lebenden Männern herbeieilen, oder so meinten wir.
Alleine konnten wir den Mohren nicht retten, so waren die fremden Neuankömmlinge unsere einzige Hoffnung. Und doch, was, wenn der Morrspriester uns verraten, und der Alte selbst die Kreatur auf uns gehetzt hatte? Waren die Männer womöglich im Dienste dieses "Arkleon" vor dem Syrfyd den Alten zu warnen versuchte ? Ich wollte keinesfalls erneut in eine Falle laufen und beschloss mich vorerst zwischen den Krypten draussen zu verbergen. Und nicht zu unrecht, den die Männer erreichten den Tempel und erwiesen sich alls Gantners Bautruppler, geführt von Ragnar Volaris. Dankbar wie ich auch war, von ihnen trotz der Folter schlussendlich verschont worden zu sein, ich wollte unsere bisherigen Konflikte jetzt nicht einer nun dringlichen Zusammenarbeit im Weg stehen lassen. Sogar Syfryd besann sich, bereits oft genug gegen sie gestritten zu haben um nun besser versteckt zu bleiben. Melchior, das Blut vom sehr wahrscheinlichen Verlust seines Freundes, Beschützers, Knechts und vermutlich Mentors noch in Wallung, zögerte jedoch nicht, die ihm unbekannten Männer mit den Vorschlaghämmern vor dem Tempel anzusprechen und die Lage zu erklären.
Ich vernahm seine Worte nicht aus der Entfernung, sah nur wie die Männer mit erhobenen Waffen den Tempel stürmten, Ragnar Volaris selbst, mit der Kraft eines Norsen, Melchior hochhob und brüllend nach Erklärungen verlangte. Ein typischer Untersteger Straßenschläger, der in dem einsamen Adeligen ein leichtes Opfer sah. Gantners Leute waren mittlerweile also nicht nur Bauarbeiter, Söldner und Gedungene, nun notgedrungener Weise auch noch unter die Grabräuber gegangen, so voller Dreck sie schon auf die Entfernung erkennbar waren. Doch anstatt ihn zu beruhigen, schien Melchiors hervorgeholtes Leichentuch den Hauptmann des Abrisstrupps, der Elite von Gantners Bande, jede Fassung verlieren zu lassen. Unvorbereitet schien er, wie ein Hund, Geisteskranker oder eine übertrieben großzügig bezahlte Dirne, dem überraschten Melchior an den Hals zu fallen!
Waren wir hier umgeben von Monstern?! Syfryd verlor die Fassung und stürmte vor, wie der halbtote Melchior noch zu Boden sank hielt er auf halbem Weg jedoch inne. Denn die Züge Volaris´, das Blut noch vom Kinn tropfend, waren nicht länger seine eigenen. Sein Leib unnatürlich angewachsen, seine Zähne, Augenwulst und Gliedmaßen, alles andere als menschlich.
Syfryd schrie ihm etwas entgegen, unsicher ob er einem Angriff standhalten oder lieber davonlaufen würde, doch den Blick fest auf unseren gefallenen Freund. Würde ich den Morrsgarten noch alleine verlassen diese Nacht?
Volaris nahm das Leichentuch an sich, lachte Syfryd nur an und stürmte zu seinen Gefährten in den Tempel.
An Ort und Stelle konnte ich den blutleeren Melchior notdürftig nähen, und eilig suchten wir, nurnoch zu dritt und mit dem halbtoten in seinem neuen Schubkarren, den Blick ständig über die Schulter werfend, das weite.
Syfryd beteuerte die Wunde müsse ausgebrannt werden, denn er selbst hatte anscheinend bereits derartige Erfahrungen mit den Bautrupplern in der Vergangenheit gemacht - Wissen das uns anderen sicherlich vor dieser Begegnung nützlich gewesen wäre!
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Der Morrsgarten ist eine Stadt in der Stadt, wer sich verirrt kann Tagelang verloren gehen. Oder für immer. |
Der Hansesöldner verwies auf Bissspuren an seinem eigenen Hals, die ich bislang für Ratten- oder Hundezahnabdrücke zwischen Vernarbung durch glühendes Eisen gehalten hatte, und nannte Volaris´ Form, einen "Strigi". Dem Nachthimmel nach war sie nicht Sariour na Yenluis vollem Antlitz, wie jene Mutanten zur Hexennacht in den Wäldern, verschuldet. Oder so hatte es ihm scheinbar der Hexenjäger Manfred erklärt. Und tatsächlich, schien er weniger arbiträr und asymmetrisch mutiert wie die Kreaturen der Schwarzfelsfeste, jene nahe der Bairinti Vault, die Bewohner des Kohlebeckens, oder die Überbleibsel der Middenheimer Belagerung. Auf irgendeine Art erinnerte er mich an etwas an den "Ghoul" den ich eben in Middenheim verfolgen, stellen und sezieren mithelfen durfte. Doch auf die Entfernung und nur bei Sternenlicht mögen mich meine Augen getäuscht haben.
Ich wollte den stammelnden und beinahe besinnungslosen Melchior so schnell es ging von hier fort, zu meinem Turm oder zumindest aus dem Morrsgarten bringen, Syfryd jedoch beteuerte unbedingt heute nacht noch den jungen Viktor befrein zu müssen, da dieser sonst dauerhaft des Totenreiches eigen wäre. Mussten wir diese Nacht einen Freund, mit gleich zwei anderen erkaufen? Reichte nicht der Verlust des Mohren? Syfryd schien den Jungen als eine Art Ziehsohn zu sehen, nachlässig nur seinerseits, dieser Pflicht erst nach mehreren Wochen der Untätigkeit nachzukommen. Vielleicht hätte ich Melchior besser mit Alkohl sedieren sollen, den in seinem Karren ließ er sich beobachten wie er in eine Art Rauschzustand abriftete. Zwischen vereinzelten Richtungshinweisen die uns zunächst nach Westen einen Holweg entlang führten, konnte er immer wieder nicht davon ablassen sich stöhnend selbst zu befriedigen. Eigentlich weiß ich nicht was an seinem Verhalten ihn als vertrauenswürdigen Navigator auswies, denn eine Weile irrten wir nur durch die verschneiten Grabanlagen. Dank unserer konfusen Interpretation des Buchstaben- und Zahlen-ausgewiesenen Gitternetzplans des Morrsgartens, irrten wir vermutlich in die falsche Richtung. Eigentlich war ich mir bei beiden Gefährten nicht sicher, wie viel die Analphabeten mit der alphabetischen Reihenfolge von Buchstaben überhaupt anfangen konnten. Immer wieder machten wir im Schnee dunkle, geflügelte Schatten aus, die uns hüpfend und fliegend folgten, zo groß für Fledermäuse, vielleicht waren es Friedhofsraben. Wir konnten jedenfalls nicht stehen bleiben. Wir zerrten den Karren über die 45° Anhöhe einer Schneise und rätselten eine Weile über die Bedeutung von fremdländischen Glyphen auf Leuchtturm artigen, spitzen Säulen, mit Darstellungen eines geflügelten Morr, und machten in der Entfernung, im Südosten eine weitere aus.
Die kleinsten Geräusche schienen uns auf dem Weg durch den Morrsgarten die Blicke nervös in die Dunkelheit hinter und um uns zu ziehen. Schließlich fanden wir uns an einer runden Anlage aus Krypten, arrangiert um ein Loch das in die Tiefe klaffte, wo wir wussten, dass sich Tunnel, Grabanlagen, halbe Städte der Bestatteten verbargen. Syfryds immer noch insistierender Suche nach der Halle der Stille nach waren sie unser Ziel. Über den Abgrund spannte sich eine Brücke, erkannten wir, je näher wir kamen, und eine vermummte Gestallt wanderte mit einer seltsamen Laterne zwischen den Krypten. Ein Grabräuber? Ein verirrter trauernder Friedhofsbesucher? Einer von Gantners Schlägern, oder gar ein hinterbliebener Cursus Kultist, wie Syfryd mir noch zuflüsterte als er die Waffen zog und sich zu mir an die Schubkarrengriffe gesellte? Ich hatte eine vage Hoffnung und beschloss mich im Schutz der Dunkelheit alleine näher heranzuwagen. Die meisten menschlichen Augen waren nicht an diese Lichtbedingungen adaptiert, sagte ich mir, und sollte es eine groteske Kreatur der Nacht sein, waren meine kribbelnden Glieder vor Anspannung gut genug durchblutet um sofort die Flucht zu ergreifen. So nahm ich die versteckte Vorhutrolle ein, die Syfryd sonst so gern erfüllte, und konnte mich mit der Leichtfüßigkeit die der Tileanische Mördergefährte Chico bei der Trolljagd vor all den Wochen vorgelegt hatte, bis auf einen Meter an den Unbekannten heranwagen, ohne entdeckt zu werden. Während er eine der Kryptabeschriftungen im Schein seiner ungewöhnlich pulsierenden Laterne entzifferte, hinter der mehr als nur eine kleine Kerzenflamme zu stecken schien, erkannte ich selbst seine Züge: Virgil, mein alter Freund und Weggefährte! Ich gab mich erleichtert zu erkennen und begrüßte den zurecht erhofften Bekannten. Anscheindend hatte eine kryptische Vorsehung des Morrskult Patriarchen Makart unser Kommen in irgendeiner Form bereits angekündigt, so war der Mönch sogleich bereit unser Unterfangen zu unterstützen.
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Ein Mann mit einer Laterne zwischen den Gräbern, wer kann es nur sein? |
Syfryds misstrauische Reserviertheit ließ sich mit jedem Schritt etwas weiter beruhigen, den uns Virgil durch das Labyrinth uns unverständlicher Grabarchitektur führte. Erneut fing er mit Verschwörungspänen eines Arkleon Charakters an, der mit seinen Agenten den Morrskult zu unterwandern suchte. Virgil ließ uns jedoch verstehen, dass es sich bei jenem eher um einen neuen Verbündeten, des in den letzten Tagen mit Bedrohungen und Feinden überforderten Totenkultes handelte. Ebenso war ich scheinbar zu voreilig von einer erbitterten Feindschaft zwischen ihm, seinen Morrsbrüdern und dem Cursus Honorum ausgegangen. Für die er, als grabschändende Nekromanten, mir unverständlich wenig verurteilende Worte fand. Beiläufig erwähnte er ebenso, dass ihn seine Aufgabe mich aus Middenheim nach Süden zu begleiten eigentlich nicht hierher nach Altdorf hätte führen sollen, und er sich mehr als Zwischenlösung hier im Orden nützlich machte, er aber anderorts eher seine Zukunft sah. Erneut wurde mir bewusst, wiedereinmal zu unaufmerksam meine menschlichen Gefährten in ihren Lebensgeschichten durcheinandergebracht zu haben. War es Constantin, ebenfalls Morrite aus Middenheim, dessen Ziel es war hier weiter zum Preister ausgebildet zu werden, nicht er? Was war dann Virgils eigentliche Mission? Ich musste ihn unbedingt demnächst zu einer ruhigeren Gelegenheit aufsuchen und unsere Erlebnisse in den Monaten seit Bad Hohne austauschen. Auch Khevin schien er nicht mehr wie einen übergroßen kleinen Bruder, ständig an seiner Seite zu haben, sondern immer weiter an Hantschs Schlund Sekte zu verlieren. Bedauerlich, doch aus eigener Erfahrung weiß ich zu gut, dass es einen trotz aller Freundschaft, über kurz oder lang, immer wieder zu seinesgleichen zieht.
Leider konnte er uns den Weg zu Sabrynas Zuflucht nicht direkt weisen. Dort meinte ich, dass wir uns vielleicht kurz in Sicherheit bringen könnten, um eventuell mehr über das Leichentuch Artefakt zu erfahren. Ebenso meinte er, wäre es nicht weise, Melchiors frisch genähte Wunde auch noch zu kauterisieren, wie Syfryd seine eigene, kürzliche Bisswunden-"Verarztung" durch Manfred den Hexenjäger beschrieb. Doch zumindest hatte er vage Anhaltspunkte zu dem geheimen Ritualort, der Halle der Stille, und konnte uns in die Nähe ihres Zuganges bringen, wenn schon nicht weiter begleiten. Tempelaufgaben sollten ihn diese Nacht noch beanspruchen, doch Makarts Weissagung zufolge, sollte er heute alten Freunde die einen Toten mit sich führen helfen, eine Krypta finden. Etwas markaber angesichts Melchiors blutleerem, geistesabwesenden Anlitzes, eines Halbtoten vor uns in der Schubkarre, der sichtlich mitgenommen vom Verlust seines Hofmohren und Freundes war, doch wir nahmen jede Hilfe, die wir bekommen konnten.
Der Pfad vor uns stieg zu einer Anhöhe an, von wo aus sich Bewegungen und Schaufel Lärm verdächtig nach Bautrupp Aktivitäten abzeichneten. Angeblich suchten diverse unlautere Gestallten nach diesen Leichentüchern, wie Melchior jenes seiner Schwester mit sich führte, für schändliche magische Rituale, so machten wir einen Bogen um die Anhöhe. Jedoch nicht seitlich herum sondern darunter hindurch führte Virgils Totenlaterne unsere Truppe. Auf der Hälfte der Länge des Katakombentunnels jedoch, machte jene sich ungewollt stärker, greller und unzweifelhaft aufgrund magischer Natur bemerkbar und ließ meine Gefährten zusammenzucken und scheinbar Stimmen in der Dunkelheit hören. Vor allem Syfryd schien dieses Leuchtfeuer für verlorene Seelen, unnatürliche, wahnsinnverheißende Visionen zu bereiten und ihm die mir nur allzu bekannten Worte auf die Lippen nähen: Silentium.
Hatte er den selben Geist gesehen wie ich damals in dem Tunnel zwischen Kellerthater und dem westlichen Untersteg, womöglich garnicht weit von hier? War er durch uns agitiert, oder sollten uns die Worte gar noch helfen? Stille, wahrhaftig, also nicht nur eine neurotische Einbildung und Wunschvorstellung meinerseits, angesichts Vinos ständig so losen Mundwerks, sondern ein wiederkehrendes Mantra der Toten?
Wir einigten uns wortlos auf schweigendes Schleichen um den Schaufeln und Spitzhacken unweit über uns zu entgehen und krochen weiter vorwärts. Nur das leise Knattern der Schubkarrenräder und das Kettenscheppern der Totenlaterne Virgils vorweg, sowie ihr unvorhersehbar magisches Pulsieren konnten unsere Position verraten.
Wir erreichten den Ausgang des Tunnels, doch ohne Vorwarnung waren wir umzingelt. Götter der Menschen und Cadai seien uns gnädig, was auch immer uns verraten hatte, wir waren geradewegs in einen Hinterhalt gestolpert! Links von der Anhöhe aus, geradewegs aus der Dunkelheit, Gestallten! Später vernahm ich auch noch versteckt von rechts hinter einem Gebüsch, mehrere Gruppen von Bautrupplern, nicht einaml ausser Atem oder vom Arbeitsschweiß in der kalten Nacht dampfend. Wie aus dem Nichts standen sie mit erhobenen Hämmern um uns.
Doch nicht etwa Abrisshämmer sollten unser Ende besiegeln. Zu unser aller Entsetzen, trat aus den Reihen der mysteriös ausdruckslosen Männer eine aufragende, halbnackte, haarlose Gestalt, von nahem betrachtet noch entsetzlicher als aus der ferne an Melchiors Hals. War dies eine dieser Strigi Abscheulichkeiten von denen Syfryd widerholt geflüstert hatte. Spitze Züge, jedoch nicht wie ein Rattenmensch oder Goblin, gefletschte Zähne und ein bleicher Körper, jedoch nicht wie die Skugatti Sklaven, Flügel artige Hautfetzen zwischen den muskulösen Armen und dem missformten Torso, eine widernatürliche Fledermaus Hybridzüchtung eines Mutanten! Ich wollte angsterfüllt und mit jeder Sehne meines Leibes danach verlangend, zurück in den Tunnel flüchten. Hätten wir nicht erst kürzlich Ragnar Volaris dabei beobachtet, wie er sich innerhalb von Augenblicken in eine verlgeichbare Abscheulichkeit verwandelt hatte? Und dann war da noch dieser aufgedunsene Kropfsack wie bei einer Kröte oder einem Hahn, den ich an der Anatomie der Kreatur vor uns bemerkte, womöglich eine Schwachstelle, doch vermutl eher eine Art Organ zur-
Argh! Der Gedanke war nicht einmal zu Ende gedacht zuckten wir schon zusammen und versuchten unsere Ohren zu schützen! Ein lähmendes Kreischen, nicht unähnlich dem Monster im Morrstempel. Die Bautruppler schienen zudem noch gänzlich ungerührt von der schieren Trommelfellfolter! Waren sie auch bereits alle ... nein das konnte nicht sein... Und nicht etwa langsam und träge wie die wiederbelebten Toten des Cursus war die Kreatur die sie anführte! Innerhalb eines Wimpernschlages sprang oder vielmehr flog sie zwischen uns, während die Bautruppler herum nur zusahen, wie in einer bizarren Art von Kraftprobe, oder einem Schlachtritual.
Gerade noch konnte ich den Schild hochreißen und die Klauen des Strigi abwehren, spätestens jetzt war jede Flucht hoffnungslos und uns blieb nurnoch der Kampf. Syfryd hieb vergeblich mit seinen Dolchen auf die Kreatur ein, auch Virgils und mein erster Hieb mit Laterne und Metzgerbeil gingen ins Leere, und schlagartig wieder Herr über die eigenen, schreckensstarren und intuitiv hochgerissenen Gleidmaßen, gelang es mir, noch meinen Phiolengürtel für Melchiors verzweifelten Blick und schnellen Griff freizugeben.
Irgendwoher hatte ich noch drei Ampullen Weihwasser am Leib, nicht wissend ob und wozu ich sie je brauchen konnte, schien angesichts dieser götterlästerlichen Grässlichkeit ihr Augenblick gekommen. Der junge Bastard des verschollenen Entdeckers spuckte die halbe Flüssigkeit auf den Leib der Kreatur. Sie kreischte überrascht und schmerzerfüllt, wich sogar etwas vor uns zurück! Aus dem Augenwinkel meinte ich sogar eine gewisse erschrockene Resonanz der umgebenden Bautruppler ausgemacht zu haben, doch mischten sie sich weiter nicht ein. Von neuem Mut beseelt zückte Vigil seine Totenlaterne und schaffte es weiter die scheinbar lichtscheue Abscheulichkeit einzuschüchtern. Noch war sie jedoch nicht besiegt und ließ uns erneut durch ihr aufgedunsenses Kropfsack-Kreischen in die Knie gehen. Melchior warf die restliche Ampulle und Kournos selbst muss sie in die Visage der Kreatur gelenkt haben! Denn als sie noch erneut unter Dampfen und Zischen, wie Wasser auf heiße Kohlen gegossen, kreischte, fanden Syfryds Dolche und mein Beil schließlich auch ihre Ziele und gruben sich in das graue Fleisch des Strighul.
Als Virgil erneut seine Laterne gegen unseren Widersacher schwang wich dieser endgültig, worauf auch dessen überraschte und unorganisierte Bautrupplergefährten unter den bedrohlichen Straheln Virgils Laterne das weite suchten. Er erklärte uns, sie sei eine Leuchtfackel für verlorene Seelen und Untote müssten sie meiden. Morr war uns gnädig, doch hieß das etwa die Bautruppler waren nun allesammt... Ich will gar nicht daran denken, in welche Schwierigkeiten Vino und Karl sich das nächste mal stürzen könnten, wenn sie ihnen unachtsam entgegentraten... Wir konnten nun unser Glück kaum fassen und flohen selbst ebenso schnell von dem Schauplatz wie es unsere zitternden Beine und die Last des kaum beweglichen Melchiors zuließen.
Sobald sie ihre Wunden ausreichend geleckt hatten, würden uns die Strigi zweifellos erneut zusetzen, wir hatten diese Nacht keine Zeit mehr zu verlieren!
Keuchend erreichten wir die Mausoleumsstadt am südöstlichen, ältesten Teil des Morrsgartens im Quadranten A2 um einen kargen jungen Laubbaum, beherrscht von der, durch gerillte Säulen hoch aufragenden, Antentempel förmigen, monumentalen Familiengruft der Familie Parla. Alle Gebäude hier waren alt und hochaufragend, Efeu überwachsen, mit verzierten Fronten ähnlich denen in Sindelfingen, doch diese war die beeindruckendste. War dies die selbe Sippe, der auch Wieland Parla, der rothaarige Verbündete Fillingers von der Reikerbahn entsprang? Unlängst hatte ich auch gehört, dass diese sich einst bei der Verteidigung der Stadt gegen Widersacher aus dem Osten, also an der Aussenmauer des Unterstegs verdient gemacht hatten? Oder verwechselte ich den Namen schon wieder? Irgendwie kam er mir in letzter Zeit aber andauernd irgendwo unter. Ebenso wie sein Wappen mit den Zweikornreben um einen Bock. Ich hatte noch etwas altes Zweikorn aus dem Keller von Fillingers Villa. Und war dann nicht auch noch auf der Reikerbahn die Rede von einer ausstehenden Lieferung des Getreides? Meine Gedanken überschlugen sich, als ich noch Virgil, der neuen Mut durch seine so schlagfertige Laterne gefasst und anderorts benötigt war, verabschiedete. Ich betrachtete den zentralen Baum in dem Hof und seine Blätter, während meine beiden Gefährten bereits drauf und dran waren einen Eingang in die Gruft zu suchen.
Bevor er ging erklärte Virgil uns noch, dass erst kürzlich ein Familienmitglied von einer Grabung Herrn Bohns in B3 hierher umverlegt worden war, vielleicht könnte sich also dort der Zugang, oder ein Schlüssel zu der "Roten Pforte verbergen, die uns in die Halle der Stille führen" sollte, wie Syfryd meinte.
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Ist die Familiengruft der Zugang zur Halle der Stille? |
Wieder zu ihnen aufgeschlossen, wiesen Syfryd und Melchior mich auf eine alte Inschrift über einer verschlossenen Steinpforte an der Rückseite der Gruft hin, die in Klassischer Sprache, meiner freien Interpretation nach, besagte, ein Branndopfer bestimmter Pflanzen in einer Schale unmittelbar davor zu verlangen. Ich überlegte nicht lange, denn es gab angesichts der zahllosen, verzerrten Schergen Gantners überall auf dem Gelände, keine Zeit zu verlieren, und leerte die von mir mitgebrachten Blätter des auf dem Mausoleumshof stehenden Baumes in die Schale. Sogleich durchfuhr mich jedoch ein Kräfte raubender Schauer und eine irritierende Übelkeit die mich fortan reizbar, ungeduldig und fast schon auffällig feige stimmte. War ich nun etwa auch noch verflucht? Die Pforte Öffnete sich nicht, die Blätter waren also unmissverständlich falsch.
Ich weiß nicht mehr ob von Bohns selbst, von Virgil, oder vor Ort gefunden, sobald wir jedoch an der Baustelle von B3 ankamen, konsultierten wir ein Tagebuch des Grabpflegers zu den Todesursachen der fünf offenen und durcheinandergeworfenen Gräber vor uns: Alex Jordan, Ingrid Steinhauer, Nathan Becker, Samuel Flutschwinger und Lilith Parla. Letztere war offensichtlich unser Ziel, doch die Gabsteine mit den Todesdaten und die Opferpflanzen waren durcheinander gewühlt worden. Vermutlich von Grabräubern, wenn nicht gar den Bautrupplern selbst, auf der Suche nach Leichentüchern. Waren es Chrysanthemen, Lilien, Rosen, Nelken oder Gerberer Blumen, die wir in der Schale am Mausoleum nun also opfern sollten? Ich wollte keinesfalls noch einen Fluch riskieren.
Wir kombinierten was wir an den jeweiligen Altern, Todesursachen, Grabpositionen und Pflanzengaben aus dem Notizbuch wussten und konnten mittels Ausschlussverfahren erfolgreich die Chrysanthemen als die geforderten Familienblumen eruieren. Offenbar war Lilith eine vor 15 Jahren verstorbene Schwester Wieland Parlas.
Warum jedoch der Junge in deren Familiengruft gesperrt werden musste ist uns bis jetzt nicht klar.
Erleichterung, doch leider keine Linderung meines Fluches durchfuhr mich, als sich krachend die Steinplatte an der Rückseite der Familiengruft öffnete und eine Treppe in die Tiefe freigab. Syfryd und ich schulterten den blutleeren Melchior, immer noch mitgenummen vom Verlust seines Hofmohren. Wir stiegen nur mit unseren mundanen Laternen hinab in die Dunkle Tiefe. Die Halle, die sich unten vor uns erstreckte war schier endlos. Wir passierten einige Säulen und Syfryd flüsterte immer wieder von geisterhaften Mönchen die ihm Stille gebietend erschienen. Waren dies meine "Silentium" Geistersichtungen? Ein nicht abstreitbarer Wahn beschlich mich, womöglich wieder in der Gruft aus der wir bereits Christian gerettet hatten und den Cursus schlussendlich stellen mussten zu landen. Ich konnte mir nur jeden Mucks verkneifen, denn wenn ich etwas gelernt hatte, dann den Wert der Stille. Die Halle war nicht hoch, einen Meter 60 vielleicht. Ein neuerliches Überbleibsel zwergischer Besiedelung? An eine Säule gelehnt fanden wir die Leiche einer Norsi, den Schädel mit einem stumpfen Objekt eingeschlagen. Sie war frisch. Wir waren nicht die ersten Erkunder hier unten. Spalten in der Decke führten mancherorts an die Friedhofsoberfläche, und immer wieder hörten wir die verzerrten Strighi Knechte Gantners auf allen Vieren wie Tiere durch die Dunkeleit hechten. Nach einer Weile ziellosen irrens, folgten wir einer Aussenwand und fanden eine von oben hängende Glocke mit simplen geometrischen Symbolen darauf. Melchior meinte darin ein Nekromanten Artefakt, in den Zeichen "Grünhaut", "Dämon" und "Gebein" zu erkennen. Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern mit der Sprache vertraut zu sein, und doch beschleicht mich bei seiner Aussprache der Wörter immer wieder ein gewissen Deja-vu, wie die Pferdeherren des Westens es nennen. Sollten wir die Glocke schlagen? Nein, vielleicht konnten wir weiter unerkannt bleiben. Wir tasteten uns weiter vor und erreichten mehrere verrostete Eisenstangen die vom Boden in die Decke ragten in 15 elfischen Fingern breiten Abständen zu einander, deren Sinn sich uns jedoch noch entzog. Waren es Raumtrenner, Käfige, Magische Leitungen? Und für wen, die Möche einst? War auch der junge Viktor den wir hier suchten in einen solchen Käfig gesperrt worden? Kein Wunder wie seltsam und verhaltensuntypisch die meisten Morrspriester sind, wenn so ihre Adoleszenz Rituale aussahen.
Schließlich fanden wir entlang der Aussenwand folgend, eine Wasserfläche im stillen Dunkel sowie eine tunnelartige Vertiefung in der Wand. Syfryd konnte seinen Instinkten nicht widerstehen, band sich wortlos ein Seil um und kroch hinein. Nun war ich also allein hier mit dem blassen und unterkühlten Melchor, umgeben von Nichts. In der entfernten Tiefe vernahm man immer wieder Schritte, Kreischen, dumpfe Schläge, ich konnte nur hoffen, diese verdammten Strighi konnten uns in der Dunkelheit nicht sehen, stellte meine Laterne ab und reduzierte ihren Lichtschein mit einem Abdecktuch auf ein Minimum. Syfryd war nun schon eine Weile weg, das Seil an dem wir ihn zurückziehen sollten, hatte er gänzlich mit sich nachgezogen, war also schon zu weit hineingekrochen um ihn noch zu hören. Da näherten sich uns plötzlich Schritte aus der Dunkelheit. Wie ein Anker zog mich mein Fluch, meine Angst und verkrampft verschlossenen Lippen davon weg zu der kalten, stillen Wasseroberfläche. Kaum meine Nasenspitze und Augen ragten noch aus dem Wasser so 01stklassig versteckt fühlte ich mich, da packte ein Schatten über ihm Melchior und zog ihn erneut in einen hungrigen Bann. Halb erregt halb in Todesangst Starre konnte dieser selbst nur hilflos beobachten wie eine Widerhaken bewehrte Strighi Zunge seinen Arm aufriss und gierig von seinem wenig verbleibenden Lebenssaft saugte. Schluck um Schluck, ich verfluchte mich selbst vor dieser Angst und konnte meinen Leib nicht dazu zweingen ihm aus meinem Versteck aus zu helfen. Melchiors Augen rollten bereits zurück und und ich konnte nur beobachten wie er zuckend aus dem Leben schwand, da platzte neben mir Syfryd keuchend aus dem Wasser, dicht gefolgt von dem Jungen, Viktor. Einer der beiden schafft es dem aufragenden Strighi eine letzte Weihwasser Ampulle, zuvor von Virgil geschnorrt, an die Brust zu werfen und diesen in agitiertes Kreischen zu versetzen.
Da fügte sich auf einen Schlag alles zusammen. Die Stille gebietenden Geister, die tote Norsi, unser krampfhaftes Flüstern und Schweigen, die "Halle der Stille", die Versuchung der Glocke, die Art dieser Prüfung hier unten und die Konsequenzen des Scheiterns: Kaum waren wir Schmerz erfüllt vor dem Kreischen zusammengezuckt, da verhallte es der Kreatur auch schon gurgelnd im Blut besudelten Rachen. Denn die Geister, "Chryseo Prinzeps" wenn ich die Worte im Raum, ich vermute von Viktor, richtig verstanden habe, machten kurzen Prozess mit dem erneuten Brecher des Schweigens und der Stille, hämmerten den verzerrten Schädel des Strighul in die Eisenstangen bis er keinen Mucks mehr von sich gab und reglos liegen blieb.
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Alleine in diesen stillen Katakomben eingesperrt, wer kann hier nicht verrückt werden... |
Syfryd, Melchior und ich schafften es mit letzter Kraft den nun wohl schon zu drei viertel toten Melchior aus der Tiefe zu zerren. Hoffentlich würde sich Virgil, oder jemand anderes vom Morrskult um ihn annehmen können, denn wir wussten, dass wir mit dem lang ersehnten Aufgehen der Sonne im Kellertheater und an der Parade erwartet werden würden.
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