Samstag, 21. Juni 2025

Nebulus' Schattenritual am Kellertheater

 Oberon

"KARL THALWIRTH!"

So klangen die bekannt dramatischen Worte erneut wie eine arkane Anrufung, ein donnerndes Beschwören von unkontrollierbaren Naturgewalten, ein bedeutungsschwangeres Lob und Fluch auf alle Ahnen des Adressierten zugleich und ähnlich wie die theatralischen Öffnungsworte einer Bühnenprobe der Schikaneder Truppe einen Stock unter uns.

Und doch war es nicht der intensiv dröhnende Bariton des greisen Schattenmagiers, doch ein vorprojiziertes Echo in Form seines Lehrlings, Nebuli, die genannten Halbling vor einigen Tagen im Kellertheater auf die bekannt Gänsehaut evozierende Art von seiner Schüssel Leis hochschauen ließ.

Soviel konnte ich im Vorbeikommen persönlich bereits miterleben. Das nächste, was ich von dieser anstehenden Mission mitbekommen sollte, war Karls zur Sprache bringen der Angelegenheit bei einem gemeinsamen Treffen bei Christian.

Anscheinend wollte der bei Christian seit einem Zwischenfall während einem seiner infamen Spieleabende in Ungnade gefallene Schattenmagier, das gesamte Kellertheater und insbesondere dessen Dachfläche für ein magisches Ritual nutzen. Und der gemeinsame Lieblingshalbling der beiden sollte dies im Detail klären.

Der Name des Magiers machte mich sofort hellhörig. Seit der Bairinti Vault war ich im Besitz eines Zauberstabs der Cursus Anhänger, den diese für ihre Pflanzen Formungs-Magie genutzt hatten. Banain, der elfische Berlocken Händler am Schwarzmarkt hatte mir bereits bestätigt, dass es voll korrumpierter Magie war, und es zulange an Stadtwachen, Goldenen Hunden und Hexenjägern im Gepäck verstaut vorbei zu tragen oder zu lange in meinem Turm herumliegen zu lassen machte mich nervös. Vielleicht konnte Nebulus, als einer der wenigen mir bekannten Magier es also irgendwie sinnvoll gebrauchen und mir etwas für mich sinnvolleres im Austausch überlassen.

So war ich augenblicklich interessiert an einem erneuten Zusammenarbeiten mit jenem. Dadurch wohl etwas zu übereifrig, versuchte ich Christian davon zu überreden, Karl doch das soeben vorgebrachte Anliegen - das gesamte Theater praktisch auszuleihen -  gewähren zu lassen. Als Meister des Glücksspiels, Bluffens und der versteckten Absichten, agitierten Don Kufner mein unsubtiler Manipulationsversuch scheinbar jedoch eher, und ich konnte des Raumes verwiesen, Karl nur von draussen dabei zuhören wie er sich zuletzt doch noch die widerwillige Erlaubnis einholen konnte.

Ein paar Tage später fanden wir uns persönlich in der Ruinie des alten Shallyatempels ein und hörten persönlich die Absicht des Schattenmagiers:

Er wollte das Dach des Kellertheaters, an dem sich scheinbar magische Leylinien, Kraftströme der acht Winde kreuzten, nutzen, um einen Schutzzauber über der Stadt zu erneuern. Dazu war es scheinbar notwendig, dass Karl, wie bereits auf der Reikerbahn schwarz gefärbt, sowie ein weiterer Dunkelhäutiger ihm dabei assistierte. Da Karl diese Aktivität bei Christian als "Spektakel" verkauft hatte das zahlende Zuschauer und wettsüchtige Schaulustige anziehen sollte kam der Südländer Rocko dafür, als Buchmacher und Kassenmeister als Zweiter nicht in Frage, so erklärt ich mich freiwillig. Nebulus war weder der vielen Aufmerksamkeit noch unserer lediglich dunkel gefärbten Haut hierzu nicht abgeneigt, wenn gar belustigt. Durch seinen dichten grauen Bart und die ihn umgebenden Rauchwolken war es schwer zu beurteilen. Nicht unwahrscheinlich verstärkten aber seine "Hanfkraut-Jollies" sein grummelndes Kichern.

Die nächste Aufgabe bestand nun also darin, die Nachricht der anstehenden "Unterhaltungsveranstaltung" schnell und massenwirksam unters Volk zu bringen, sowie schwarze Farbe aufzutreiben.

Als Kaution händigte Nebuli mir einstweilen einen seiner Ringe aus, da der Stab anscheinend zuvor eingehender studiert werden musste.

Unsere vorübergehenden Begleiter Sieghardt "Melchior von Hohenflur" Jäger und ein neuer Laufbursche mit einer Scheibtruhe, Bartok Klelt, bekamen hiervon nichts mit, denn sie hatten scheinbar Schwierigkeiten die Kathedrale überhaupt zu betreten.

Gegen seine Beteiligung an der Wiederbeschaffung der Kupferplatten könnte sich Karl über Micki die Ausrufung des Spektakels beim Marktschreier sichern, was sich im Verlauf der weiteren Tage zwar als hinfällig erweisen sollte, im nachhinein betrachtet aber vermutlich bei der analphabetischen Bevölkerung des Unterstegs für mehr Besucher gesorgt hätte.

Während ich mir in weiterer Folge am Schwarzmarkt die Bärenfallen und Zugangsreservierung für die Vogelversteigerung besorgte, konnte Karl sich, wie er meinte, durch hilfreiches Kontaktknüpfen und tatkräftige Transportunterstützung, ein kleines Fass schwarzer Farbe sichern. Ob es sich dabei um pflanzliche Tinte oder kürzlich beobachtete Asche basierte Tusche wie im Kohlebecken hergestellt wird handelte, werde ich vermutlich noch im Lauf der nächsten Tage feststellen falls, und nachdem wie schnell sie sich jemals wieder von meiner Haut löst.

Zufällig trafen wir auch einen Pamphletenschreiber namens Warga auf der Straße den wir anheuerten um die Straßenplakate für den bald anstehenden Ritual Termin zu gestalten und in mehrerer Dutzend facher Ausführung über den Untersteg zu verteilen.

 Vino

In den letzten Tagen und Wochen verbrachte Vino Stunde um Stunde, Schweißperle um Schweißperle in “seinem” Keller um dort zu üben. Wie sehr hatten doch die letzten Wochen und Monate an ihm genagt. Er ließ es sich zwar nie anmerken, doch seit er der tileanischen Heimat den Rücken gekehrt hatte, stolperte er von einem Abenteuer und einer Bredouille in die nächste. Man muss die Spaghetti essen, solange Sie noch heiß sind, würde man in Pavona sagen, doch wer wusste schon welches Schicksal sein Geburtsort erlitten hatte. Wieder einmal musste er sich von den Strapazen und Blessuren erholen, die sein letztes Unterfangen ihm eingebracht hatte. Dieses Mal war es die Vogelauktion gewesen. Zuvor schon viele andere Scharmützel, Gefechte und Nahtoderlebnisse welche ihn hierhin gebracht hatten.

All dies hatte auch zur Folge, dass ihm seine jugendliche Leichtigkeit, wenn auch nicht sein Leichtsinn abhandengekommen war. Immer barscher reagierte er auf irgendwelche Anfragen von tileanischen Flüchtlingen, und immer seltener war er für seine gewonnenen Freunde greifbar. Lediglich Karl und sein treuer Kampfhahn Gicki begleiteten ihn bei seinem Training. Scheinbar benötigte das Mistvieh Unterweisung und Vino hatte keinen Nerv dem Halbling etwas auszureden, war er doch sturer als ein tileanisches Mufflonschaf.

 Oberon

Als der Tag des Rituals schließlich anstand, und wir uns noch von dem Abenteuer der Vogelversteigerung wenige Tage zuvor entsprechend angeschlagen einfanden war von seiten des Kellertheaters alles bereit. Karls Halblings-"Zauberlei"-Freunde mitsamt ihrem Anführer Richi, Eleumeira, Nessimon und sein neuer Tichi, mit dessen Hilfe er noch Vino in seinem kürzlich freigelegten Trainingskeller einige Manöver beibrachte, alle Gäste, Bediensteten und Tileaner räumten das Kellertheater. Nebuli hatte einige matt schimmernde Spiegel Scheiben aufgestellt und schon fast alle Lichter gelöscht, da erreichte uns Rocko mit der Problematik der ausbleibenden Zuschauer. Der berühmte Kampfhahn Karl mit seinem Giki waren mittlerweile kleine Berühmtheiten im Untersteg und wenn er schon zu einem großen Spektakel lud, war es mehr als ungewöhnlich nicht mehr Schaulustige um das Theater versammelt zu sehen.

Ein Jüngling aus den Reihen der Valentinas bestätigte uns: Eine neue Bande hielt die Leute auf der Straße auf und verlangte unrechtmäßigen Wegzoll - die "Retardos" wie er sie nannte.

Klar ein Fall für die Gulligedungenen. Christian war bereits weg und Karl, dem nach ihm noch am ehesten so etwas wie Autorität oder zumindest Respekt nachgesagt wurde, hatte noch die vage Hoffnung die Situation amikabel lösen zu können. Doch wie so oft schon war bei dem kombinierten Auftreten des Halblings, Tileaners und mir selbst, Ärger praktisch vorprogrammiert.

Deformiert, sprachlich, motorisch und intellektuell beeinträchtigt war es ein Wunder, dass die "Zurückgebliebenen" - ausquartierte Shallyatempel Insassen die als letzte nicht von Kutschen abgeholt und umgesiedelt wurden - nicht schon viel früher mit einer der verschiedenen gewaltbereiten Institutionen zusammengekracht waren, provokant wie sie hier Besitzansprüche anmeldeten und sich erdreisteten Geld zu kassieren.

Den stotternden Angaben Gepards, ihres scheinbaren Anführers, nach, waren sie geprüft frei von Mutationsmakeln und so schienen die kahlgeschorenen Schädeloperationspatienten, doppelt so viel wie wir und nicht gänzlich kampfesunerprobt.

Ich selbst stieß aufgrund meines nicht zu ihrem grad selbst besudelten Geruchs scheinbar auf Abneigung, der einarmige Karl war tolerabler als Gesprächspartner und sie waren sogar gewillt Vino, seinem Verhalten nach zu urteilen, in ihre Reihen aufzunehmen. Ein exhibitionistischer Zurückgebliebener markierte ihn bereits ähnlich wie es ein Hund gemacht hätte, was wenig überraschend das Überkochen des Tileaners nur noch beschleunigte.

Nur dem keilförmig missbildeten untersten Glied in der Hackordnung der Krüppel und Deformierten, Siemon, konnten wir verständliche Worte abringen. Keine subtilen Drohungen, Arbeitsangebote oder Bestechungen Karls fruchteten jedoch und so war der Vino-Weg leider wieder mal unausweichlich.

 Vino

Da war wieder dieser Zorn. Früher war es noch als Tollkühnheit, Leichtstinn oder Mut abgetan worden. Doch er musste es sich selbst zugestehen, all die Entbehrungen, all die Freunde die nun bei Morr weilten, all die Sorgen und die Ausweglosigkeit hatten Vino verbittert und zornig werden lassen. Das, obwohl hinter dem gemergelten Gesicht sich immer noch das Antlitz eines Jugendlichen verbarg.

Die Fingerknöchel färbten sich weiß, und er realisierte nicht einmal, dass er sein Schwert gezogen hatte. Wollte er wirklich diese offenbar Beeinträchtigten Idioten niedermachen? Andererseits hatte ihm der Pisser gerade die Hose und auch die Laune ruiniert. Zornig brach Vino einen Kampf vom Zaun um den Impass aufzulösen welcher sich gebildet hatte und die Zuschauer vom Kellertheater fernhielt, wo das eigentliche Spektakel stattfinden sollte. 

 Oberon

Amüsiert beobachtete Dagwin noch an eine Hausmauer gelehnt die Konfrontation. Da sein letztes Scharmützel schon viel zu lange zurücklag und der Feind uns zumindest an der Zahl überlegen war, ließ er sich doch noch überreden, einzuschreiten und so entbrannte ein kurzes, jedoch schlussendlich einseitiges Gemetzel. Karl verfolgte noch die fliehenden mit der Geldbörse der provisorischen Zollstation, Vino fledderte die Toten nach medizinischen Untensilien, sein mitgenommener Valentina Laufbursche massakrierte einen Verletzten ganz nach Chicos bekannter Manier und ich konnte Dagwins starke Beinblutung gerade noch stillen. Der Alrasista war sichtlich beschämt gegen nur vier der unberechenbaren Spastiker in die Knie gegangen zu sein, konnte uns jedoch mit seinem Blut Zeit und die taktische Oberhand erkaufen. Sein Tatendrang war für heute gestillt und so gab ich ihn in die großmütterliche Obhut unserer Nachbarin in Christians Mietskaserne neben dem Kellertheater.

Die Retardos, eine Untersteger Bande die nicht leicht zu verwechseln ist


Die Zeit war gekommen, das Ritual stand kurz bevor, wir begannen uns mit Tinte und Kaminasche zu schwärzen und beschlossen Vino am besten gleich mit uns in dem wehrhaften Turm einzusperren, um zumindest einen voll genesenen Kombattanten in unseren Reihen zu wissen, sollte es nötig werden. Bis auf das schwarze Kalb eines Wachhundes, der Cane Corso Giuseppe, den keiner der sonst so tieraffinen beiden dazu motivieren konnte sich zu bewegen, waren wir nun mit Nebuli die einzigen im Theater, oder so glaubten wir damals zumindest noch.

Am Dach des Gebäudes bemerkten wir den Schattenmagier Nebulus, bereits in ein Beschwörungsritual vertieft, welches uns als sein eingenommenes "Tranquilium" beschrieben wurde um den Magischen Wind der Schatten, Ulghu ins Staunen - "Thaumatein" zu bringen. "Ungestörte Wunderlichkeit" wenn ich das etwas freier aus dem Klassischen übersetze, scheint mir ganz passend den Pathos des alten Magiers zu beschreiben. Überraschend an seiner Seite fand sich auch die Amethysthexe Sabryna ein, die Nebulis Erklärungen nach gewährleistete, dass die Winde Shyish und Ulghu "verpaart" wurden. Nicht, dass einer von uns etwas davon verstand, eindeutig war nur, dass es sich um ein gefährliches Unterfangen handelte, und "die Alten Wege Altdorfs wieder zu öffnen" nicht nur vorteilhalfte Aspekte mit sich bringen würde. Der Wetterhahn den Karl nach seinem Einsatz auf der Reikerbahn als Belohnung am Kellertheater montieren durfte stand erneut bereit von ihm in die Schlacht geritten zu werden, die Schatten um die Magier schienen sich unnatürlich um sie zu bewegen und ebenso düsteres Deja vu beschwor der Schwarze Orb den die beiden, wie schon vor ihnen die Nekromanten des Cursus und unter Middenheim, rituell einzusetzen pflegten.

Die Aufgabe von uns drei schwarz gefärbten, teils gefiederten, nur leicht bepackten Gefährten war es nun, mittels der auf Stangen montierten Stoffbahnen an den Zinnen durch projizierte Schatten von mehreren Feuerstellen, ein Aufmerksamkeit anziehendes Spektakel für die Zuschauer unter uns auf der Straße zu veranstalten. Nicht länger tanzten die omnipräsenten Schneeflocken im Wind sondern sanken in geraden bahnen auf uns, nun im windstillen Auge des magischen Sturms auf uns herab.

Dass der Halbling und Giki mit dem kürzlich monitierten Wetterhahn eine Akrobaten Darbietung veranstallten konnte nachdem er mit lauten Rufen die Blicke der ärmsten Bürger, Banditen und Obdachlosen unter uns auf sich wusste war klar, nur wie Vino und ich uns nützlich machen konnten bedarf einiger Fehlversuche mit meinem Teutogenhorn, ausgeschnittenen Papierschablonen und Vinos Mimenkünsten. Zuerst versuchten wir unsere Wolfsbegegnungen in den Himmelspfeilern als Schattenspiel darzustellen, probierten uns dann an einer lokal relevanteren, primitiven Inszenierung der Christian-Gantner Rivalität und versuchten uns schließlich an den wandelnden Toten, die noch allen Unterstegern genug in jüngster Erinnerung sein sollten. Karl war unterdes Hahnenritter, focht gegen den Wolf und brachte den Hahn sogar erneut zum Fliegen, während Vino zwischen unseren Nord-, Ost- und Südpositionen an den Zinnen hin und her eilte. Einmal meinte er sogar, er müsse einen der unter uns um Aufmerksamkeit konkurrierenden Dokdok Gaukler mit Pfeilen beschießen, ließ glücklicherweise aber doch davon ab und unterstützte unsere improvisierten Schattentheateraufführungen.


Nebulus und Sabrina verändern das Stadtbild durch ihren Schutzzauber

Dem Auftreten eines Stelzen bewährten "Gildenmeisters" der geflügelten Dokdoks, und dessen aufwändig mit Seilzügen und Katapultfunktionen vorbereiteten Einlage waren wir knapp nicht gewachsen. Erstmals war Karls Animosität den Gaukler Konkurrenten gegenüber gerechtfertigt. Leider konnten wir auch nicht versuchen noch einen drauf zu setzen, denn Nebuli kam vom Turminneren herauf gestürmt und bedurfte unserer Hilfe bei einer Störung des Magiestroms.

Die "Umbrahlschen Zauberspiegel" im Inneren spien uns bereits bekannte dunkle Nebelwolken die den Boden großflächig bedeckten und einem Atem und Sicht raubten. Soweit womöglich noch beabsichtigt - bedenklich waren jedoch vielmehr die sich darin formenden aufrechten Gestallten.

Eindringlinge? Nein, keine körperlichen Wesen, mehr Geister, Dämonen gar, durch die unkontrollierten Chaoswinde dabei sich hier als Schattenwesen zu manifestieren.

Waren es fünf, sechs? Schwer zu sagen in der fast totalen Dunkelheit, nur von dem Licht der großen, farbigen Fenstern von der Straße war überhaupt noch etwas zu erkennen. Umso deutlicher zeichnete sich ein glühendes Zeichen in einer der Kreaturen ab, ein X mit Linien darunter. All das begleitet von konstantem, dumpfen, entfernten Bellen des Wachhundes, weiter unten im Gebäude. Er musste die Quelle der Störung ausgemacht haben, die all dies hier erst verschuldete. Kurz ergriff uns lähmende Angst, doch es gab scheinbar nur eine Möglichkeit, noch Schlimmeres zu verhindern: Die Störung zu beseitigen.

Mich trotz der für Nebulus üblichen wahrnehmungsverzerrenden Dehnung, Streckung und Verzerrung der Raumdimensionen, die wir bereits aus seinem Reikerbahnquartier sowie der Tempelruine kannten, auf meine anderen Sinne sowie die Erinnerung der Möbelverteilung im Kellertheater verlassend hechtete ich los, zwischen die Schatten, selbst wenig mehr als ein schwarzer Fleck in einem Meer aus Dunkelheit.

Neben mir stürzte sich Vino nach kurzem Zögern unter Nebulis Hilfe, die die Schattengeister materialisieren sollte, direkt in den Kampf mit dem nähesten Feind. Seine Klinge bekam jedoch keine Materie zu fassen, und hinter mir hörte ich noch ein gurgelndes um Luft Ringen, als dringe die Kreatur in den armen Tileaner selbst ein, wie bereits die Schattenströme unter dem Morrsgarten, all die Wochen zuvor.

 Vino

Schatten, hier waren Sie wieder. Damals hatten Sie ihm allen Atem geraubt, allen Mut, alle Leichtigkeit, aber er war mit dem Leben davon gekommen. Ein Glück welches anderen nicht zuteil wurde. Es riss ihn aus seinen Gedanken, beinahe schon war er eingehüllt in den Rauch, er kroch in jede Ritze wie eine gebroche Olivenölkaraffe, welches sich am Boden verteilte. Wirkungslos glitt seine Klinge durch die Schattengestalt. Die Machtlosigkeit förderte nur seine Raserei, seine Ohnmächtigkeit dem Feind gegenüber ließ ihn panisch um sich schlagen. Vollkommen wirkungslos fuchtelte er um sich. Während die Geschehnisse um Ihn herum sich entfalteten wie eine Dampfschwade, welche aus einem soeben geöffneten Topf hervorstoben.

 Oberon

Karl war wie angewurzelt, nur sein Gokel versuchte ihn verzweifelt zu verteidigen, Nebuli war ebenso überfordert mit der Stabilisierung und mein Herz drängte mich den umringten Gefährten beizustehen, Licht zu machen, Feuer zu entzünden, womöglich die Zwergenrune zu schlagen, doch würde es helfen oder alles nur noch schlimmer machen? War mein Zögernden Verhalten und davonlaufen, im Kontrast zu Vinos impultiven Gewaltsturm, einmal mehr fatal?

Die Fenster barsten und weitere dunkle Umrisse ströhmten herein, es wurde immer aussichtsloser, doch sah, ode vielmehr hörte ich nur einen Ausweg: In den Keller des Theaters zu eilen und die vom anschlagenden Hund erkannte Störung beseitigen. Weiter, kein Zurückblicken mehr, ich rannte in den Vertigo verzerrten Tunnel der Wendeltreppe hinunter und erreichte schließlich die einstige Hahnenkampf Arena. Kürzlich war die runde Halle zu einem Theater umgebaut worden, doch nun tummelten sich hier unzählige weitere Schattenformen.

Gehörnte, Tierförmige, jubelnde und mich scheinbar nicht beachtende, Waffen schwingende Gestalten. Was ging hier vor? Waren es Barbaren der Vorzeit wie in Siercks Aufführungen oder jene Norse Chaosdiener wie in der Krallensee, die hierher beschworen wurden?

Alle Lichter mussten erloschen sein im Kellertheater

Ich wollte mir garnicht ausmalen wie es mir hier ergangen wäre, hätten wir uns zuvor nicht als Rauchabzugkehrer verkleidet und schob mich, nur das Bellen vor mir als Ziel, weiter, tiefer in den unteren Keller hinab. Kam das Bellen von der Luke in den Schmugglertunnel, und dem Hühnerknochenbunker wo sich der Knochenhühnchenkoloss geformt hatte? Nein, der Käfigkeller? Nein, es war Vinos Trainingsraum!

Jede Vorsicht und schleichendes Vorgehen vergessen stolperte ich um die letzte Ecke und stand im Sand des runden, mit antiken Wandmalereien umrahmten Raumes.

Inmitten der kleinen Arena, von zwei Fackeln an den Wänden umrahmt, Giuseppe, merklich aufgeplustert, geifernd und schwarz schimmernd wie von Schuppen oder Stacheln bedeckt.

Etwas stimmte nicht mit dem Hund, doch noch weitaus bedenklicher war das Ziel seines Unmutes: Von den Fackeln beleuchtet erkannte man wie sich die Wandmalereien bewegten, sich als Schatten von den Wänden lösten und sich zu ihresgleichen nach draussen gesellten.

Das Licht der Fackeln musste das Problem sein! Der Anblick des Zähne fletschenden übergroßen Hundes gab mir schwer zu denken, doch es gab keinen Ausweg, irgendetwas musste getan werden. Ich sprang vor, riss die Fackel aus der Halterung und ließ sie zu Boden, in den dunklen Nebel fallen, was sie augenblicklich erstickte.

Der Hund wandte sich mir zu, zuckte jedoch mit dem Schädel zur Seite wie einer der Spastiker Stunden zuvor. Ich meinte kurz etwas seiner alten, ergebenen Wachhunde Persönlichkeit in den Augen aufblitzen zu sehen und das Tier rang offenbar mit sich selbst, seinen Trieben und seiner strengen Abrichtung.

Wie von den Göttern gerufen, eilten da auch schon Karl mit Giki, Vino und Nebli hinzu, Loec allein weiß wie sie ihrer hoffnungslosen Umzingelung entkommen waren.

 Vino

Wären da nicht die Cursus Leute gewesen, welche den hilflosen Trupp gerettet hatten, es wäre wohl sein letztes Gefecht gewesen. Er fühlte sich zurückerinnert an die pure Bosheit, welche Vino damals in der Zuflucht verwundet hatte. Es war wie ein kalter Schauer, der ihm über den Rücken lief. Eine Erinnerung die verdrängt gemeint war, kroch wieder hoch und setzte sich in seinen Gedanken fest. Verwirrung ob der Hilfe mischte sich dazu, doch scheinbar war der Cursus gegen alle Formen der Magie, ob nun innerhalb oder außerhalb der legalen Grenzen. Sei es drum, Vino hatte überlebt und stürmte sogleich dem Gebell des Cane Corso entgegen, welchem Oberon bereits gefolgt war. Die Schritte hinab in den Keller durchmachte er eine Transformation. Er selbst war zum Bluthund geworden, welcher eine Fährte aufgenommen hatte. All die Wut, die Panik, der Kontrollverlust. Sie mussten jetzt einem Blutrausch weichen, der ihn ihm hoch kochte wie Pasta in einem zu kleinen Topf. Der Siedepunkt war mehr als überschritten und die überschäumende Wut gab ihm die Illusion wieder Kontrolle über die Situation gewonnen zu habe.

Dieses Mal war es aber anders, es war als wäre jemand an seiner Seite, der ihm ein Ventil bat für all seinen aufgestauten Hass. Er Vino, er war doch stets nur rechtschaffen gewesen, er wollte sich nur verteidigen. Es war ihm fast zuwider, die Klingen zu kreuzen - oder nicht?

 Oberon

Erneut wallten die Winde der Magie auf, und Gäsehaut kroch einem über den Leib, nur mit vollem Willenseinsatz abzuschütteln. Vino jedoch schien nun endgültig das Fass der Götterfürchtigkeit und Beherrschung übergelaufen. Mit schäumenden Speichel an seinem hässlich vernarbten Mundwinkel trat er in seine Übungsarena auf den Hund zu.

Die Initiative ergreifend rannte ich an seine Seite, ging jedoch noch etwas auf Abstand zu ihm, denn einen nach dem anderen besah er sich uns, seine Begleiter mit Zorn und Blutrausch verzerrtem Blick, fixierte schlussendlich jedoch den monströsen Hund der im Fackelschein mit rötlich schimmernden Schuppen an seinem Kragen erschien.

Der Tileaner, ich glaube mehr aus Übungsroutine wie taktischer Überlegung, unterdrückte den Ansturmdrang der seinen Körper durchzuckte mit letztem Willen und ging in die kreisende Schwertform der Alrasista, brachte seine Waffe aus der Zwergenvault in fliegende Schungebewegungen, biss die blanken Zähne zusammen und keuchte dem anstürmenden Hund ein einziges, gröhlendes Wort entgegen... "Corne!" oder war es "Cane"? Ich konnte es nur schwer ausmachen, doch ob "Hund" oder "Hörner" oder ein mir unbekanntes Wort auf tileanisch war mir nun einerlei.

Ich warf reflexartig die Arme hoch doch statt einem übergroßen Maul, Pranken und der Masse des schuppigen Leibes traf Karl, Nebuli und mich nur ein heißer Regen aus Blut und Eingeweiden. Zu beiden Seiten Vinos lagen die gespaltenen Hälften des Hundes, und der Schwertarm des Tileaners bebte noch vor Energie.

Nebuli gebot uns nicht das Licht zu löschen, wie ich fälschlicherweise als Lösung angenommen hatte, sondern die den Nebel absondernden Wandgemälde zu zerstören, was Karl und er zügig mit öligen Lumpen und den Fackeln begannen. Ich selbst jedoch war nun scheinbar das nächste Ziel von Vinos Blutrausch und konnte nur seine Selbstbeherrschung anrufend zurückweichen.

Ich war schon mit dem Rücken zur Wand und sein Arm zum Hieb erhoben als endlich wieder relative Vernunft in seine Züge zurückkehrte und er schluchzend in die Knie ging. Der zuvor von ihm bei den Retardos gefundene Beruhigungstrank konnte seinem Wahnsinn zusätzlich noch etwas einhalt gebieten und so betrauerte er nur den armen tileanischen Hund, an dessen weiterer Abrichtung er sich zuvor schon so oft die Zähne ausgebissen hatte und den er auf seine Art liebgewonnen hatte.

 Vino

Das Tier lag ausblutend vor ihm, und so wie das Blut den Körper des Hundes verließ, so verließ auch der Hass Vino. Kurz blickte er über die Schulter hinter sich. War da jemand gewesen? War er das gewesen? Er schüttelte sich und seinen Kopf. “Ich wollte ihn doch nur aufhalten!”, beteuerte der Jüngling seine hehren Absichten doch, tief im Inneren wusste er, dass etwas ihn kurzfristig ergriffen hatte. Womöglich eine Nachwirkung des dunklen Nebels? Jedenfalls war es für Vino an der Zeit, seine Jugendtage hinter sich zu lassen. Er würde sich nie mehr im Streite übermannen lassen von seinen Gefühlen nicht von Zorn nicht von Angst nicht von Kühnheit. Es war nun an ihm die Kontrolle zu behalten, denn er war ein Veteran vieler Kämpfe und seine Klinge hatte zuviel Blut und Schmerz gekostet. 

 Oberon

Die letzten Wandgemälde waren bald zerstört und Ruhe schien wieder in das abgedunkelte Kellertheater einzukehren. Ich erfuhr, dass anscheinend Eindringlinge aus den Reihen der Schaulustigen draußen die Lage oben mit den bekannten Ausrufen "Constant in Chao" retten und die Schatten ablenken konnten. Der Cusus Honorum kam uns plötzlich zu Hilfe? Nein, wir hatten nur gemeinsame Feinde. Doch was war aus den Magiern am Dach geworden, hatten die Cursus Agenten es auf sie, als vermeintliche Chaosbeschwörer abgesehen? Mit letzten Kräften schleppten wir uns durch die nun leeren Hallen hoch.

Oben erreichten wir, zu unserer großen Erleichterung nur die entkräfteten beiden Magier. Scheinbar war ihr Ritual gerade so noch erfolgreich und der durch das Cursus Honorum Ritual gestörte Leichentuch Bannzauber durch einen neuen ersetzt, zumindest für ein paar Monate, bis hoffentlich nicht mehr fast alle Magier aus der Stadt abgezogen sein würden. Die Alten Wege Altdorfs seien nun wieder geöffnet worden, und das Straßennetz erneut so verwirrend und gefühlt jeden Tag anders als es schon vor der Einmischung durch das große Cursus Komplott war. Doch zuminest war der Schutzschleier wieder hergestellt, und anscheinend der Zugang zur Stadt aus dem Untergrund abgeschirmt. Nebuli sollte absofort für unsere Belange zuständig sein, was auch immer das heißen sollte, es klang als wollte sein Meister auf eine Art Reise gehen oder sich einige Zeit zurückziehen müssen um Kräfte zu sammeln.

Ebenso übergab er jedem von uns ein Teil des zerbrochenen Wetterhahns von der Reikerbahn, der als magischer Katalysator gedient hatte und uns anscheindend resitenter gegen gewisse Arten der Magie machte.

Gerade als ich noch dem Fräulein Sabrina auf die Beine half, sie über meine Übersetzungen aus dem Cursus Tagebuch aufklären wollte und ihr dieses zur weiteren Inspektion anbot, platzten schon Christian, Lorn, Micki, Stadtwachen, Hexenjäger und der Richter vong Hohne durch die Dachaufgänge. Zumindest letzteren freute ich mich zu sehen, hatte ich doch einen Bericht von der Vogelversteigerung für ihn, als den verantwortlichen Richter auch über das Heideldorfer Massakers, was mir einige Umwege ersparte und so steckte ich einem seiner Adjudanten mein Schreiben zu.

Wir drei von Kopf bis Fuß schwarz gefärbten Assistenten und Nebuli wurden des Hauses verwiesen und weitestgehend ignoriert. Nebulus und Sabryna jedoch wurden für ihre, den Frieden der Stadt und dessen Navigierbarkeit nachhaltig störendes, unsanktioniertes Ritual verhaftet und Richtung Süden abgeführt.

Karl verweilte am Dach bei Nebuli, Vino sank entkräftet und in sich gekehrt in einer Ecke zusammen und ich wollte nur das weite suchen. War der Ausraster nur das erste Zeichen einer Wandlung in Vino hin zu einem Weg auf dem ich ihn nicht begleiten konnte? Würde er sich beherrschen lernen oder nur noch weiter die Kontrolle verlieren? Ich brauchte Abstand zu ihm. Vorbei an den nun dunklen Ritualspiegeln, Goldenen Hunden und Stadtwachen war ich kurz vor der Ausgangstür, da stolperte mir überraschend jemand aus einem Abstellraum humpelnd entgegen, mit dem ich seit langem, und schon gar nicht hier, gerechnet hätte...

 

 



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